: Verratene Verräter
Klaus Kuron war als Doppelagent „Spion in eigener Sache“ – und ist heute Geschichte (So., 21.45 Uhr 3sat)
Leere lange Flure. Kühle, bürokratische Arrangements, die manchmal fast wie stilisiert wirken. Die Bilder in Thomas Knaufs Porträt des Doppelagenten Klaus Kuron wirken wie leer geräumt. In den Achtzigerjahren spielte sich in der zerfallenen Berliner KGB-Zentrale und im Kölner Amt für Verfassungsschutz der Kalte Krieg ab. Man kann in dieser Dokumentation sehen, dass uns heute davon mehr als nur 15 Jahre trennen.
Klaus Kuron war eine der zentralen Figuren in dem deutsch-deutschen Agentenkrieg. Erst ein eifriger Beamter beim Verfassungsschutz, dann als Doppelagent für die Stasi. Der DDR diente er sich nicht zwecks Rettung des Weltfriedens an, sondern um die Ausbildung seiner Kinder finanzieren zu können. Beim Verfassungsschutz konnte er nicht weiter aufsteigen, ihm fehlten Abitur und Studium. Das bundesdeutsche Beamtendienstrecht machte ihn zum Verräter.
Das Agentendasein darf man sich diesem Film zufolge als eine Art Angestelltentätigkeit mit starkem Rollenspielcharakter vorstellen. 1981 bandelt Kuron mit der Stasi an. Die Stasi ist misstrauisch. Wer weiß, ob dieser Überläufer echt ist. Es dauert, ehe Kuron in Dresden den Stasi-Chef Markus Wolf treffen darf. Wolf zeigt ihm Dias mit den landschaftlichen Schönheiten der DDR, danach redet man über Gehalt und vor allem die Altersvorsorge. Es ist mehr Normalität in diesem Geschäft, als man sich gemeinhin vorstellt.
Der Krieg der Ämter wirkt wie ein Spiel: Man täuscht und wird getäuscht. Und wer denkt, dass er gerade den anderen täuscht, täuscht sich dabei vielleicht selbst. Aber es ist kein Spiel: Ein Stasi-Doppelagent in der DDR, zu dessen Enttarnung Kuron beiträgt, erhängt sich im Gefängnis. Dabei war doch verabredet, dass Doppelagenten, die Kuron enttarnt, nicht verhaftet werden.
1990 wird der Verräter Kuron von Verrätern verraten. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz sieht er zufällig einen Ex-Stasi-Mann, den er aus Ostberlin kennt. Der bewegt sich, so Kuron gekränkt, „im BfV schon so selbstverständlich, als würde er dazugehören“. So blickt der Überläufer ohne Zukunft auf den Überläufer mit Zukunft, der vielleicht schon bald sein Büro beziehen wird. Kuron wurde verhaftet und saß bis 1998 im Knast.
So scheinen die wertvollen militärischen, politischen, ökonomischen Informationen nur eine Spielwährung zu sein, mit der ein Betrieb in Gang gehalten wird, in dem es in Wahrheit um etwas ganz anderes geht: um Geld, Karriere, Anerkennung und darum, sich gewandt in einem Spiegelkabinett aus Identitäten, Rollen und Verhaltensmustern bewegen zu können. Klingt, als ginge es um Manager.
STEFAN REINECKE