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Archiv-Artikel

Schwarz-Schill will mit Junkies dealen

Sozialbehörde will Drogenabhängige und Obdachlose zur Arbeit verpflichten. Mehr als die Hälfte der Sozialhilfeempfänger beendet Ein-Euro-Programm nicht

Hamburgs Sozialsenatorin Birgit Schieber-Jastram (CDU) will das umstrittene Ein-Euro-Programm des Senats ausbauen und auch drogenabhängige und obdachlose Sozialhilfempfänger zur Arbeit zwangsverpflichten. Für „Tagarbeit“ gegen einen Euro pro Stunde würden noch in diesem Jahr 100 Plätze für besonders schwer vermittelbare Menschen geschaffen, sagte Schnieber-Jastram gestern zur Halbzeit der Legislaturperiode. „Wir haben der Stadt das richtige Maß zurückgeben“, bilanzierte die Senatorin und kündigte an, „den Missbrauch staatlicher Hilfe“ weiterhin zielstrebig zu bekämpfen.

Als ein Beispiel für das richtige Maß nannte Schnieber-Jastram das Ein-Euro-Programm. Sozialhilfeempfängern, die als arbeitsfähig gelten, wird dabei eine gemeinnützige Beschäftigung zugewiesen. In dem mehrmonatigen Job, der sie wöchentlich mindestens 15 Stunden beschäftigt, verdienen sie einen Euro pro Stunde. Wer sich weigert, dem wird die Sozialhilfe gekürzt oder sogar gestrichen.

Jetzt sollen auch Obdachlose und Junkies für die Stadt malochen. „Durch stundenweise Beschäftigung wollen wir besonders schwer vermittelbare Menschen wie Obdachlose, Drogenabhängige und Haftentlassene wieder an Arbeit gewöhnen“, erklärte die Senatorin ihr neues Projekt der „Tagarbeit“. Die Zwangsverpflichteten sollen bis zu drei Stunden täglich etwa Unkraut jäten oder Straßen fegen. Die Sachbearbeiter in den Bezirken müssen nun geeignete Kandidaten suchen. Auch bei Drogenabhängigen gilt: Wer den Job ablehnt, wird mit Kürzung der staatlichen Stütze bestraft.

Dabei zeigt die Statistik der Behörde, dass das Programm den meisten Teilnehmer keine Perspektive bietet. Demnach wurden bisher 2.800 Sozialhilfempfänger zum Zwangsdienst aufgefordert. Weniger als die Hälfte davon, 1.211 Menschen, haben ihn absolviert. Davon kamen nur etwa zehn Prozent im ersten Arbeitsmarkt unter. Über die Zahl der Abbrecher, denen die Stütze gekappt wurde, und die Höhe des dadurch eingesparten Geldes, konnte Behördensprecherin Annika Wichert keine Auskunft geben: „Das haben wir noch nicht ausgewertet.“

Ein Tagelohnangebot für Menschen, die wegen Drogensucht oder Obdachlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, findet Holger Stümpel gut. Der Berater und Ex-Chef des Beschäftigungsträgers Koala bemängelte jedoch, die „Kombination von Zwang und geringer Bezahlung erstickt jede Motivation“. Das meint auch Jens Kerstan, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der GAL-Fraktion. Der Plan der Senatorin sei „kontraproduktiv“. Mit Zwang komme man gerade bei diesen Menschen nicht weit. „Die muss man stabilisieren.“ EVA WEIKERT