: 40 Prozent Meister
Der VfL Wolfsburg gewinnt 2:1 gegen Mönchengladbach. Absteigen wird der Tabellenführer wohl nicht mehr
WOLFSBURG taz ■ Die Sorgen des VfL Wolfsburg würden viele Bundesligaklubs nur all zu gern haben. Da träumt eine ganze Stadt nach dem 2:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach bereits von der Meisterschaft, aber ein passender Ort zur Feier ist bis dato nicht existent; anders als in München oder Bremen ist das Rathaus dafür nämlich nicht gerüstet. Weil: Es fehlt der Balkon, auf dem die Spieler die silberne Trophäe in die Höhe recken könnten. Doch Hilfe naht. „Wenn der VfL Meister wird, komme ich mit dem gesamten Sportausschuss“, verspricht Lokalpolitiker Ingolf Viereck. „Und dann mauern wir den Balkon selbst an.“ Dass sich die städtischen Abgeordneten wirklich die Finger schmutzig machen müssen, bleibt jedoch eher unwahrscheinlich. „Wir sind noch kein Meisterkandidat“, stellte jedenfalls VfL-Stürmer Thomas Brdaric am Samstag fest. „Dafür fehlt uns noch sehr viel.“
Zumindest ist eines, was sonst nur den Bayern aus München zugeschrieben wird, bereits reichlich vorhanden: Dusel. Vor einer Woche wurde das 2:1 in letzter Sekunde gegen Kaiserslautern erzielt, diesmal gab es einen Sieg trotz durchaus dürftiger Leistung. „Unser Spiel war schlecht“, sagte der verletzt Pablo Thiam, der die Partie von der Tribüne aus gesehen hatte. Ein paar Meter unter ihm hielt es seinen Trainer Erik Gerets nicht lange auf dem grünen Ledersitz. Auch der 50 Jahre alte Belgier war nicht zufrieden. Unkonzentriert und mit einem Anflug von Arroganz brachte sich Wolfsburg weitgehend selbst in große Schwierigkeiten. „Wir müssen ehrlich sein und zugeben, dass Gladbach den besseren Fußball gespielt hat“, sagte Gerets später ehrlich. So war das 1:0 von Andres D’Alessandro in der 13. Minute nach einem Konter durchaus schmeichelhaft, zumal der Argentinier Torhüter Darius Kampa erst im zweiten Versuch überwinden konnte. „Das ist eben das Glück des Tabellenführers“, sagte Brdaric. „Von mir aus kann das so weitergehen.“
Es ging so weiter. Denn nach dem 1:1 durch Oliver Neuville in der 15. Minute wackelte die bisher sichere VfL-Abwehr vehement, aber sie fiel nicht. Für Gerets, früher selbst Verteidiger, ein Albtraum. „Wir haben nicht gut gestanden.“ Aber ein Tabellenführer gewinnt eben trotzdem – zum Beispiel indem er eine Standardsituation nutzt: Nach einer Ecke von Martin Petrov setzte sich Kapitän Stefan Schnoor nicht ganz fair gegen seinen Amtskollegen Markus Hausweiler durch und köpfte zum 2:1 ein (43.). Die restlichen 47 Minuten verwaltete Wolfsburg die Partie, einzig D’Alessandro glänzte noch mit ein paar Tricks. „Er macht den Unterschied aus“, sagte Gerets.
„Es ist bitter, dass wir ein solches Spiel verlieren“, fand derweil Borussen-Trainer Holger Fach. „Jetzt sind wir unter Druck.“ In den nächsten Begegnungen gegen Kaiserslautern und Hannover müssen die Gladbach unbedingt punkten. „Sonst stehen wir unten drin.“
Das Wort Abstieg ist in Wolfsburg dagegen schon rein statistisch aus dem Vokabular gestrichen worden: Noch nie landete der Tabellenführer nach dem siebten Spieltag am Ende auf einem der drei letzten Plätze. Die Wahrscheinlichkeit der Meisterschaft, das haben ebenfalls Statistiker ausgerechnet, liegt nun bei knapp 40 Prozent. Eine Zahl, über die Trainer Gerets nur müde lächelt. „Wenn wir uns nicht steigern, werden wir nicht mehr lange oben bleiben“, sagte er. „Deshalb müssen wir jede Woche genießen.“
Was zunehmend auch die Wolfsburger Anhänger machen. Waren gegen Kaiserslautern nur 18.000 Besucher gekommen, bildeten sich nun ungewohnte lange Schlangen an den Kassenhäuschen. Die Zahl auf der Anzeigentafel war dann aber doch etwas übertrieben. Für die verkündeten 32.719 Zuschauer hätte das Stadion um fast 3.000 Plätze erweitert werden müssen; am Ende waren es immerhin 26.726, der beste Besuch in dieser Saison. Im nächsten Heimspiel gegen Bochum könnten es noch mehr werden, denn Hauptsponsor VW will die 2.000 Mitarbeiter mit dem geringsten Krankenstand mit Eintrittskarten Karten belohnen. DIRK STEINBACH