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Archiv-Artikel

Cap Anamur will nicht von Krisen profitieren

Im Allerweltshaus wird über die europäische Flüchtlingspolitik und die Arbeit humanitärer Organisationen diskutiert. Migranten im Publikum erheben den Vorwurf, dass einige Helfer gar kein Interesse am Ende des Elends hätten

KÖLN taz ■ Die ablehnende Haltung vieler EU-Innenminister gegenüber den Plänen ihres deutschen Kollegen Otto Schily, in Afrika Aufnahmelager für Flüchtlinge aus Afrika einzurichten, verlieh einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Afrika ante portas“ am Sonntag unverhoffte Aktualität. Eingeladen hatte der „Kölner Appell gegen Rassismus“ ins Allerweltshaus. Im Mittelpunkt stand die Frage nach den Gründen für Migration und die Rolle der Europäer und der Hilfsorganisationen. Diese mussten sich zum Teil harter Kritik des Publikums stellen. Kritik gab es aber auch an der EU-Politik. Statt über Flüchtlingslager zu diskutieren, sollten die Lebensbedingungen in Afrika verbessert werden, war man sich einig.

Bernd Göken von Cap Anamur schilderte zu Beginn noch einmal den Hergang der spektakulären Rettungsaktion im Juli, die die aktuelle Diskussion ins Rollen gebracht hatte. Damals hatte die Hilfsorganisation 37 schiffbrüchige Flüchtlinge in den sizilianischen Hafen Porto Empedocle gebracht. Das Rettungsschiff „Cap Anamur“ liegt seitdem dort fest. Nach offiziellen Schätzungen sind in den letzten zehn Jahren mehr als 5.000 Menschen auf der Flucht von Afrika nach Europa ertrunken.

Heftige Kritik kam aus dem Publikum zur Rolle der Hilfsorganisationen in Afrika. Sie hätten gar kein Interesse an der Lösung der Konflikte, die zu Fluchtbewegungen führten. Schließlich schafften die Krisen erst die Arbeitsplätze für die Nichtregierungsorganisationen (NGO). „Wir sind glücklich, wenn wir überflüssig sind“, wies Göken die Kritik zurück. Cap Anamur leiste Hilfe zur Selbsthilfe.

Mark Terkessidis, freier Journalist aus Köln, sieht den Grund für die Kritik an den NGOs in deren nicht nachhaltiger Arbeit in den Krisengebieten: „Sie beschränken sich auf Kriseninterventionen“, meinte er.

„Die EU muss helfen, damit die Jugendlichen bleiben“, forderte Hilaire Zikehi. Der von der Elfenbeinküste stammende Afrikaner lebt seit 15 Jahren in Köln. Er fordert von der EU geeignete Schritte, um die Fluchtbewegung vermeiden zu helfen. Derzeit wollten die Europäer jedoch nur Geld verdienen.

Die Großmächte rissen sich die Ressourcen unter den Nagel, bestätigten Stimmen aus dem Publikum. Auch die Bundesregierung kam nicht gut weg. „Die Entwicklungspolitik ist nur für die deutschen Unternehmer“, lautete der Vorwurf.

Eine Somalierin sah den Fluchtgrund Nummer eins in den Kriegen und nicht in die Armut auf dem schwarzen Kontinent. „Ich würde zurückkehren, wenn Frieden herrscht. Wir haben Öl, Gold und Diamanten“, rückt auch Zikehi das Bild vom armen Afrika zu Recht. „Armut ist nicht der einzige Grund für Wanderung“, bestätigte Mark Terkessidis. Die Afrikaner hätten ein falsches Bild von Europa. Die EU trage mit ihrer Abschottungspolitik zu diesem Bild und der Fluchtbewegung bei.

„Derzeit ist das politische Asyl das einzige legale Eintrittsticket in die Bundesrepublik“, beklagte Terkessidis. Man wolle damit Arbeitsmigranten fügsam machen. Es müsse aber in der ganzen EU eine aktive Einwanderungspolitik mit klaren Regeln geben. Dann gäbe es auch nicht die befürchtete „Invasion von Flüchtlingen“. Thomas Spolert