: Deutsche Kunden machen Kernkraft profitabel
Der schwedische Netzbetreiber will sein Netz ausbauen, damit Atomstrom aus Finnland auch nach Deutschland kommt
STOCKHOLM taz ■ Pünktlich zur anvisierten Inbetriebnahme des geplanten finnischen Reaktorneubaus soll der Weg für den dort produzierten Atomstrom in deutsche Steckdosen frei sein. Das sehen zumindest die Planungen der Netzbetreiber vor. Im schwedischen Budget für das kommende Jahr will sich die staatseigene Gesellschaft „Svenska Kraftnät“ die hierfür erforderlichen Investitionskosten von umgerechnet rund 200 Millionen Euro nun absegnen lassen.
„Die Verstärkung ist erforderlich aufgrund des geplanten fünften Kernkraftwerks in Finnland“, lautet die Begründung. Die vorhandenen Unterseekabel nach Finnland hätten keine ausreichende Kapazität für den neuen Atomstrom. Und für die Weiterleitung nach Süden will der für Überlandleitungen und Auslandsverbindungen zuständige staatseigene Netzbetreiber auch gleich grünes Licht haben: eine neue Überlandleitung von Mittelschweden ins südschwedische Schonen. Hier kann dann der Strom in die vorhandene und in den letzten Jahren kräftig ausgebaute Seekabel-Leitungskapazität nach Deutschland eingespeist werden.
In letzter Minute versuchen Schwedens Grüne nun das Finnlandkabel zu stoppen. Denn, so ihre Reichstagsabgeordnete Ingegerd Saarinen: „Damit würden wir ja in der Praxis das neue AKW dort finanziell unterstützen.“ Die Minderheitsregierung von Göran Persson braucht die Grünen, um das Budget zu verabschieden. Die Verhandlungen darüber wurden Mitte September abgeschlossen. Dabei übersahen die Grünen aber offenbar den heiklen Budgetposten.
Offizielle Politik auch der sozialdemokratischen Regierung ist ein schrittweiser Ausstieg Schwedens aus der Atomkraft. Wirtschaftsminister Leif Pagrotsky versucht deshalb das neue Finnlandkabel mit dem Argument der „Liefersicherheit“ innerhalb des nordischen Strommarkts zu verkaufen.
Tatsächlich dürfte aber nicht so sehr der nordische, sondern der „kontinentale“, vor allem deutsche Strommarkt für die Atomstromhändler interessant sein. Nicht nur weil hier das Preisniveau etwa doppelt so hoch liegt wie in Nordeuropa. Sondern auch, weil es in ganz Skandinavien auch keinen Bedarf für den Strom des neuen strahlenden 1.600-Megawatt-Riesen gibt, der die Atomstromproduktion Finnlands nahezu verdoppelt. Die jetzigen vier Reaktoren produzieren zusammen gerade 2080 Megawatt.
Vattenfall-Chef Lars Josefsson hatte vor einem Jahr folgerichtig auch die Investition in neue Kraftwerkskapazität in Skandinavien als in diesem Jahrzehnt unnötig und neue Atomstromproduktion überhaupt als zu teuer für das nordische Strompreisniveau abgetan.
Da Vattenfall vermutlich auf nicht allzu anderer Faktenbasis kalkuliert wie die finnischen Atomkraftinvestoren, macht deren intensive Suche nach Abnehmern aus dem Ausland für ihren teuren Strom durchaus Sinn. Die Kabelneubaupläne machen klar, dass die Konzerne nun den so offensichtlich fehlenden Rentabilitätsfaktor in ihrer Kalkulation entdeckt zu haben glauben – den deutschen Stromkunden.
REINHARD WOLFF