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Archiv-Artikel

Blut aus der Stammzellretorte

Britische Forscher nutzen embryonale Stammzellen, um künstliches Blut herzustellen. Blutspenden könnten damit eines Tages überflüssig sein

Ein Menschheitstraum könnte in Erfüllung gehen, wenn das klappt, was sich britische Forscher jetzt vorgenommen haben. Sie wollen Blut in der Retorte herstellen – und das in fast unbegrenzten Mengen. Verwendet werden kann das Blut dann in der Notfallmedizin oder im Operationssaal. Das Forscherteam um Professor Marc Turner von der Universität Edinburgh will für die Blutproduktion Stammzellen von menschlichen Embryonen nutzen. Schon in drei Jahren könnten die ersten klinischen Versuche mit dem künstlichen Blut durchgeführt werden, hoffen die Wissenschaftler.

Der „Wellcome Trust“, der nach der „Bill and Melinda Gates Foundation“ als weltweit zweitreichste Stiftung gilt, hat für das Blutprojekt bereits 3 Millionen britische Pfund zugesagt. Auch die britische sowie die schottische Blutbank werden sich an dem Forschungsprojekt beteiligen.

Jetzt müssen erst einmal etliche Fragen geklärt werden, erklärte ein Sprecher. Doch schon in der nächsten Woche könnte mit dem Forschungsprojekt begonnen werden.

Der Edinburger Professor, der auch dem Scottish National Blood Transfusion Service vorsteht, will für die Gewinnung der notwendigen Stammzellen nur sogenannte überzählige Embryonen nutzen. Das heißt, es handelt sich um befruchtete Eizellen, die bei der künstlichen Befruchtung in einer Reproduktionsklinik übrig geblieben sind. Auch sollen zur Stammzellgewinnung nur Embryonen verwendet werden, die die Blutgruppe „0 Negativ“ haben. Dieses Blut kann bei jedem Menschen eingesetzt werden, egal welche Blutgruppe er hat. Abstoßungsreaktionen aufgrund unterschiedlicher Proteine an der Oberfläche der Blutzellen sind nicht zu befürchten.

Da die Stammzellen im Reagenzglas beliebig vermehrt werden können, reichen – zumindest in der Theorie – die Zellen von einem einzigen Embryo aus, um den gesamten Blutbedarf in Großbritannien abzudecken, schreibt die britische Zeitung The Independent.

Das Kunstblut soll noch einen weiteren Vorteil haben. Patienten müssen nicht mehr befürchten, dass sie mit der Bluttransfusion auch einen Krankheitserreger übertragen bekommen haben – einen Aids- oder Hepatitisvirus zum Beispiel.

Professor Turner schätzt, dass noch etwa fünf bis zehn Jahre Forschung notwendig sind, bis das Kunstblut routinemäßig in der Klinik eingesetzt werden kann. WOLFGANG LÖHR