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Archiv-Artikel

Zögerliches Tänzeln

Die SPD streitet sich, ob ein gesetzlicher Mindestlohn möglich ist – Ende November fällt die Entscheidung

BERLIN taz ■ Der gesetzliche Mindestlohn lässt auf sich warten. Der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering sagte gestern nach einer Sitzung des SPD-Gewerkschaftsrats, man werde sich dem Thema „ohne Hektik und ohne schuldhaftes Verzögern“ widmen. DGB-Chef Michael Sommer sagte zuerst: „Die Gewerkschaften sind sich einig, dass wir einen Mindestlohn brauchen.“ Danach schloss er sich dem relaxten SPD-Chef an: „Wir brauchen keinen Schnellschuss, sondern eine saubere Lösung.“

Bis zum 29. November will sich die SPD mit den Gewerkschaften auf eine Position zum Mindestlohn einigen. „Unterstellt, wir sind uns einig, dann werden wir das Thema vorantreiben“, sagte Müntefering. Einen Termin für das Mindestlohngesetz wollte Müntefering nicht nennen. Dazu sei es derzeit noch zu früh.

In verschiedenen Medien war Müntefering vorgeworfen worden, er wolle eigentlich gar keinen Mindestlohn. Der SPD-Chef habe mit seinem Vorstoß nur die Parteilinken und die Gewerkschaften beruhigen wollen. Müntefering habe damit gerechnet, dass sich die Gewerkschaften ohnehin nicht auf eine Forderung nach einem Mindestlohn einigen könnten. Dies könnte erklären, warum der SPD-Chef das Thema gestern so zögerlich umtänzelte. Doch der Parteichef wies derartige Kritik zurück: „Im Gegensatz zu dem, was manche behaupten, werden wir dieses Instrument ernsthaft prüfen.“

Die Gewerkschaften wollen daran glauben, dass es der SPD-Spitze ernst ist mit dem Mindestlohn: „Wir verlassen uns selbstverständlich auf das, was Herr Müntefering gesagt hat“, sagte ein Sprecher der IG Metall. Er sehe in dieser Frage Einvernehmen mit der SPD, meinte auch DGB-Chef Sommer.

Ob sich die Mehrheit der SPD-Fraktion überzeugen lässt, ist fraglich. Im neu zusammengewürfelten Arbeitskreis Wirtschaft und Arbeit sind die Meinungen geteilt. Die eher unternehmensfreundlichen Wirtschaftspolitiker lehnen einen Mindestlohn ab, die Arbeitsmarktexperten könnten sich dafür erwärmen. Fraktionsvize Ludwig Stiegler sagte gestern, es gebe 2005 kaum eine Chance für einen gesetzlichen Mindestlohn, weil der Bundesrat diesem zustimmen müsste. Den dominiert die Union, die einen Mindestlohn strikt ablehnt. Ähnlich äußerte sich der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend. Der Mindestlohn sei allenfalls ein „mittelfristiges Thema“.

Einen Streit in der SPD will Michael Müller, ebenfalls SPD-Fraktionsvize, nicht erkennen. „Diese Thematik bedarf nur einer besseren Erklärung“, sagte er. Und Sommer überlegt, wie die Union auszutricksen sei. Vielleicht gebe es eine Möglichkeit, den Mindestlohn ohne den Bundesrat durchzukriegen. DANIEL SCHULZ