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Archiv-Artikel

herr tietz macht einen weiten einwurf Phönix aus der Hartplatzschlacke

FRITZ TIETZ über Wahnsinn bei Spielern, DFB und Bundestrainer sowie die derzeit die Fußballwelt beherrschende Quartier- und Trainingsplatzfrage

Zu den ewigen, weil immer wieder neu aufgeworfenen Fußballfragen, nämlich: „Zahl oder Adler?“, „Drin oder Linie?“, „Abseits oder gleiche Höhe?“ und „Wie lange noch?“ – zu diesen vier, den Weg allen Fleisches überdauernden Fußballfragen scheinen sich in letzter Zeit einige weitere gesellen zu wollen. Allen voran die Trainerfrage, die spätestens seit diesem Sommer, als wegen ihr erstmals sogar eine Kommission berufen wurde, enorm an Gewichtung gewonnen hat. Auch die Stürmerfrage kommt zusehends häufiger ins Spiel. Von der Frage der Ehre ganz zu schweigen; auch wenn die im Grunde gar keine ist, weil nun mal die Berufung in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft automatisch eine Ehre ist, sodass sich jede Frage danach von selbst beantwortet.

Auf dem besten Weg, ihren Platz im Ranking der Fußballfragen dauerhaft in die obere Tabellenhälfte zu verlagern, ist derzeit auch die Quartierfrage. Wie ein Phönix aus der Hartplatzschlacke oder, um es noch fußballsprachlicher zu formulieren, wie ein überraschender Abpraller vom Innenpfosten vor die Füße des einschussbereiten Stürmers ist diese Frage gleichsam aus dem Nichts aufgetaucht und geifert seit nunmehr schon einigen Wochen durch die fußballdeutsche Funktionärs-Gemeinde. Zur Erinnerung: Die, zumindest vorläufige Lösung der Bundestrainerfrage, Jürgen Klinsmann, hat das für 2006 vom Deutschen Fußballbund und Vorgänger Rudi Völler als deutsches Mannschaftsquartier ausgesuchte Schlosshotel Lerbach in Bergisch Gladbach ebenso in Frage gestellt wie die BayArena in Leverkusen, die als Trainingsplatz vorgesehen war. Die Mannschaft hätte laut Klinsmann Bedenken geäußert. Die Busanfahrt vom Hotel zum Stadion sei mit handgestoppten 45 Minuten viel zu lang und das Geläuf der BayArena zu verletzungsanfällig, weil zu hart, und also sei der ganze bisherige Quartiers-Plan „ein Wahnsinn“, wie es Nationalspieler Torsten Frings kurzum auf den Punkt brachte. Den Wahnsinn dennoch unbedingt durchziehen will der DFB, und auch Bayer Leverkusen besteht darauf.

Es gebe da schließlich handfeste Zusagen. Und so weiter. Hoch schießen seither die Spekulationen, die sich um die Quartierfrage ranken. Von erklecklichen Vorleistungen wird gemunkelt, die der Bayer-Konzern habe springen lassen, fest auf Leverkusen als WM-Trainings-Stützpunkt setzend. Andere vermuten, Klinsmann habe die Quartierfrage wohl kalkuliert vom Stadionzaun gebrochen, um damit den DFB-Oberen seinen Alleinentscheidungsanspruch in allen sportlichen Belangen zu signalisieren. Schon bei seiner Amtsübernahme hatte Klinsmann schließlich angekündigt, beim DFB diesbezüglich die Möbel gerade rücken zu wollen.

Wie auch immer. Die vorerst offene Quartierfrage bietet jedenfalls die Möglichkeit, ganz neue Lösungen anzudenken. Warum zum Beispiel bei der Quartierswahl nicht mal ähnlich verfahren wie zuletzt bei der des offiziellen WM-Posters und das Fußballvolk darüber entscheiden lassen? Vorschläge bitte an den DFB in Frankfurt. Meine Empfehlung: Macht es wie die Kirchen, die die Teilnehmer ihrer Kirchentage genannten Weltmeisterschaften in privaten Quartieren unterzubringen pflegen. Meine Familie und ich zum Beispiel wären bereit, ein, zwei Nationalspieler, gern auch mit ihren Spielerfrauen, während der WM bei uns einzuquartieren. Unser ländliches Anwesen bietet genügend Ruhe zur Regeneration zwischen den drei Vorrunden-Spielen – mehr werden es für die Deutschen ja vermutlich sowieso nicht. Gute Trainingsmöglichkeiten bietet ein fünf Gehminuten entfernter Bolzplatz, dessen Geläuf ich vorher sogar eigenhändig von den überaus zahlreichen Maulwurfhügeln befreien würde.

Meine beiden Töchter – mit meinem Vorschlag konfrontiert – wollen übrigens nur Oliver Kahn als WM-Gast haben. Was ich ihnen zum Glück umgehend madig machen konnte, da Kahn 2006 gar nicht mehr im Nationalteam sein wird. Ich schlug ihnen stattdessen Torwart Jens Lehmann vor – sehr zur Freude auch meiner Frau. Dem würde sie, wie sie spontan ausrief, auf Wunsch auch jeden Morgen die Adiletten putzen.