Hermetische Erklärungsformel

betr.: „Modell Querfront“, taz Magazin vom 2. 10. 04

Der von Gessler behauptete weltweite Antisemitismus von rechts bis links, der angeblich die „Welterklärungsformel“ aller Modernisierungsgegner (unter Einschluss aller Muslime!) bestimmt, wird von ihm schlicht umgedreht und so zu einer eigenen hermetischen Erklärungsformel. Es zeigt sich wieder, dass im Gegner oft nur das eigene Spiegelbild bekämpft wird. Man ist dann taub für die Argumente der anderen Seite und blind für die Wirklichkeit. Das Gehirn ist aber über die Sinne mit der Außenwelt verbunden und kann sich nur mit ihrer Hilfe eine zutreffende Wirklichkeit konstruieren.

Nur ein Beispiel: Als die PDS in der vorletzten Nahost-Debatte den Abzug Israels aus den besetzten Gebieten als Voraussetzung einer Friedenslösung forderte, regte sich bei den übrigen Fraktionen keine Hand. Der Protestantismus stützt sich stark auf das alte Testament, der Ausdruck „alttestamentarische Strenge“ ist also ein gängiger (nicht antijüdischer) Begriff. Die laufenden Militäraktionen der Israelis machen im Übrigen deutlich, dass Scharon eben doch die Palästinenser zunächst militärisch besiegen will, um dann seine territorialen Ziele durchzusetzen. Man sollte also berechtigte Kritik nicht von vornherein als antisemitisch diffamieren, sondern sich mit ihr sachlich auseinander setzen. PETER FREUDENTHAL, Hamburg