: Es kann recht ungemütlich werden
betr.: „Hartz-Proteste. Demonstranten für Schröder“, Kommentar von Ralph Bollmann, taz vom 4. 10. 04
Zentrale Demonstrationen haben es an sich, dass viele Leute von weit her anreisen müssen. Was mich betrifft, ich hatte schlichtweg das Geld nicht. Ich werde auch von Hartz IV betroffen sein.
Die meisten derer, die noch in Lohn und Brot sind, haben bisher einfach nicht realisiert, dass Hauptzweck der „Reformen“ Lohnsenkung auf breiter Front ist. Wenn das nackte Elend an der Tür kratzt, sind Beschäftigte bereit, jede Zumutung der Arbeitgeber zu schlucken. […] Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht darauf verlassen, dass die Proteste dauerhaft abflauen. Wenn die Auswirkungen von Hartz IV spürbar werden, die Massenkaufkraft weiter sinkt, weitere Entlassungen drohen, die Arbeitslosigkeit weiter wächst, kann es noch recht ungemütlich werden. BERND WEBER, Köln
Richtig, Ralph Bollmann: Das linksliberale Bürgertum konnte noch hoffen, sich um eine klare Stellungnahme herumdrücken zu können. Und mit ihm die taz? Wird das jetzt anders? Von der „Szene“ habt ihr wohl keine Ahnung mehr. 45.000 auf der Demo war deutlich mehr, als in Anbetracht der Abstinenz der Gewerkschaftsspitzen erwartet werden durfte. Und immerhin latschen wir schon seit über einem Jahr kontinuierlich durch die Republik, ohne wirklich müde zu werden. […] NORBERT HERMANN, Bochum
betr.: „Land unter für die Montagsdemos?“, taz vom 1. 10. 04
Tatsächlich: Das Konzept der Bundesregierung, den Protest an den brutalen Maßnahmen von Hartz IV einfach auszusitzen, scheint aufzugehen. Jeden Montag weniger Demonstranten. Tatsächlich ist es Frust und Müdigkeit, welche sich mit der Erkenntnis, ohnehin nichts ändern zu können, einstellt. Was die Politiker aber vergessen: Daraus erwächst auch eine Politikmüdigkeit, welche sich in der seit Jahren sinkenden Wahlbeteiligung „auszahlt“.
Ein Zweites: Eine Protestform über einen unbestimmten Zeitraum anzuberaumen birgt in sich die Gefahr, abzuebben. Kurze, gezielte Aktionen, welche ein eindeutig definiertes Ende haben, verankern Motivation und Ziele meist leichter. Zum Dritten gibt es ein weit größeres Protestpotenzial, als die Montagsdemonstrationen auch nur ansatzweise vermuten lassen würden. Aber es ist nicht jedermanns und jederfrau Sache und auch Möglichkeit, an genau dieser Protestform teilzunehmen. Hier wird noch viel Mut und ein wahres Fest der Fantasie gefragt sein. OTTO J. BERTELE, München