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Archiv-Artikel

In herzlichem Hass

Mit der FPÖ verbindet Elfriede Jelinek eine ganz besondere Abneigung. Kein Wunder, dass Haider und Co. die Nachricht zunächst nicht kommentierten

AUS WIEN RALF LEONHARD

„Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk … oder Kunst und Kultur?“ Mit diesem Plakatslogan warben die Freiheitlichen im Wahlkampf 1995 für ihr Verständnis von Kultur. Doch das hat sich nur teilweise durchgesetzt: Kulturminister Rudolf Scholten (SPÖ) gehört der Regierung schon lange nicht mehr an. Das Ministerium wurde unter ÖVP und FPÖ auf ein Staatssekretariat heruntergefahren. Burgtheaterdirektor Claus Peymann wirkt bereits seit Jahren in Berlin. Aber Ursula Pasterk organisiert noch immer die Wiener Festwochen und Michael Häupl erfreut sich als Bürgermeister Wiens ungebrochener Popularität. Dass jetzt Elfriede Jelinek den Nobelpreis bekommt, muss für die FPÖ ein Schlag ins Gesicht sein.

Wenige Minuten nach Verkündigung der überraschenden Entscheidung des Nobelkomitees wandten sich Spitzenpolitiker mit Gratulationen und ersten Worten der Anerkennung an die Öffentlichkeit: von Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ), dem man die Freude glauben kann, über Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP), der sich eher überraschend als Jelinek-Fan outete – „Wenn man das ‚Sportstück‘ von Elfriede Jelinek vor Jahren im Burgtheater gesehen hat, kann man der Begründung der Jury nur vollen Herzens zustimmen“ – bis zum Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, der meinte: „Elfriede Jelinek hat in ihren Stücken, ihren Büchern und Stellungnahmen Österreich stets kritisch beleuchtet. Der Nobelpreis geht daher ganz gewiss nicht an ein Land, sondern an eine im besten Sinne unabhängige Schriftstellerin.“

Nur aus dem Lager der FPÖ blieben Stellungnahmen zunächst aus. Schriftstellerkollege Robert Schindel freute sich, dass die Auszeichnung „sicher auch dem regierungskritischen Lager“ nützen werde. Allerdings, „die FPÖ wird sich nicht beeindrucken lassen, weil sie sich von Literatur nie beeindrucken lässt“.

Mit der künstlerischen Avantgarde hat die auf bodenständige Volkskunst orientierte FPÖ immer schon Schwierigkeiten gehabt. Aber mit keiner Künstlerin verbindet sie ein so inniger Hass wie mit der 57-jährigen Dichterin, die lange Zeit in der KPÖ aktiv war. Männermacht, sprachliche Gewalt, Verhetzung und Verdummung sind die großen Themen der Jelinek, die sich von Jörg Haider und seinen Mannen immer wieder provozieren ließ. Sie war die Erste, die ein Tabu brach und öffentlich Andeutungen über Jörg Haiders Vorliebe fürs männliche Geschlecht machte. Freilich bereitet ihr seine Politik, die mit demagogischer Sprache an die niedrigen Instinkte der Wähler appelliert, mehr Sorgen.

Als die FPÖ bei den Nationalratswahlen 1999 mit 27 Prozent zweitstärkste Partei wurde, schien ihr Auswanderung der einzig konsequente Schritt: „Ich bin verzweifelt, denn ich habe durch meine Arbeit lange versucht, das zu verhindern, was jetzt eingetreten ist. Und ich sehe, dass Opposition nicht möglich ist. Alles, was wir als Künstler versucht haben, hat Haider nur stärker gemacht.“

Aus persönlichen Gründen blieb sie dann doch in Wien, verhängte aber, als die FPÖ von Wolfgang Schüssel sogar in die Regierung geholt wurde, ein Aufführungsverbot für ihre Stücke, das sie erst zwei Jahre später wieder aufhob.

Als Schriftstellerin befasste sie sich nicht nur mit den Inhalten der FPÖ-Politik, sie fühlte sich auch von deren rhetorischer Verpackung extrem abgestoßen: „Die Sprache der Literatur wird, wie es die extreme Rechte immer tut, von der brutalen Eindeutigkeit ihrer inzwischen sattsam bekannten Aussprüche, die das gesunde Volksempfinden hinter sich wissen oder zu wissen glauben, sozusagen niedergeknüppelt. Man kann sich nicht mehr mit Worten zwischen die Macht und die Wirklichkeit schieben, da ist kein Platz mehr für die Literatur. Ich habe es jetzt lange genug versucht, aber jetzt, scheint mir, werden die letzten Gatter geschlossen; man spricht davon, Kritik, Literatur ganz besonders frei zu halten von den staatlichen Machtmechanismen, und weiß doch gar nicht, womit man es überhaupt zu tun hat.“

Jeden Dialog mit der Regierung lehnte sie ab: „Die neuen Machthaber sind mit ihrer Prüfung der Wirklichkeit schon fertig, wissen alles und werfen es uns auch gleich aus dem Fernsehen als Wahrheit hin, ohne es überhaupt für nötig zu halten, was sie da verkünden auch vorher zu prüfen. Heute dies, morgen wieder was andres, sie sagen es und wenn sie es sagen, ist darin schon jeder Einspruch erstickt.“

Als Jörg Haider dann überraschend den Parteivorsitz zurücklegte, widmete sie ihm einen Theatermonolog, „Das Lebewohl“, der, so eine Literaturzeitschrift, „zwischen dem hohlen Pathos Jörg Haiders und dem hohen Pathos der griechischen Orestie schwankt“.

Elfriede Jelinek fehlte auf keiner Demonstration gegen Jörg Haider und die FPÖ, doch mit der Zeit schien sie ob der eigenen Machtlosigkeit zu resignieren, so 2001 bei einer Antirassismus-Kundgebung in Wien: „Sie wirkt, diese Regierung, mitsamt der so genannten stärkeren Regierungspartei, indem sie einfach da ist, sie wirkt, die FPÖ mit ihren Sprüchen, weil sie aufgrund dieser Sprüche nicht denken muss, aber immer etwas zu sagen hat. Sie kotzt uns ihre antisemitischen und menschenfeindlichen Sprüche vor die Füße und geht anschließend woanders hin, wo sie es genauso macht. Ich habe keine Lust mehr, einen Fetzen zu nehmen und dauernd hinter ihnen herzurennen.“