piwik no script img

Archiv-Artikel

Kindersklaven ohne Schutz

Helfer aus Kopenhagen holen in Hamburg Erfahrungen mit rumänischen „Klaukindern“ ein und wundern sich, dass an der Elbe niemand von Menschenhandel spricht

HAMBURG taz ■ Morten Hjorth Jahnsen sieht einen „Jo-Jo-Effekt“. Der Kopenhagener von der Hilfsorganisation „Save the children Denmark“ meint rumänische Kindersklaven, die in Hamburg Schlagzeilen als „Klaukinder“ machten. Nachdem dort der Druck durch die Polizei zu groß wurde, zwingen ihre Schlepper sie jetzt im dänischen Kopenhagen zu Diebstahl und Prostitution. Jahnsen war gestern mit dänischen Sozial- und Rote-Kreuz-Mitarbeitern beim Nachbarn, um Erfahrungen einzuholen. Doch die Stadt Hamburg, wunderten sich die Dänen, sieht nur ein ordnungspolitisches Problem und die Kinder gar nicht als Opfer von Menschenhandel.

„Klaukinder“ nennt die Hamburger Polizei rumänische Jungen und Mädchen, die von Schleppern nach Deutschland geschleust und für Diebstähle missbraucht werden. Vor Hamburg hatten die Banden Köln und Berlin aufgesucht. Die Menschenhändler zwingen die Kinder mit Prügel zum Klauen und auf den Strich. 2003 registrierte die Polizei 89 solcher Sklaven. Der damalige Schwarz-Schill-Senat ließ bis zum Herbst 50 von ihnen nach Bukarest abschieben. Anschließend wurden die Übrigen von Schleppern offenbar nach Kopenhagen verfrachtet, wo die Polizei zur Zeit von 25 „Klaukindern“ weiß und ihnen rund 200 Diebstähle wöchentlich zuschreibt.

Jetzt sucht Dänemarks konservative Regierung nach einer Lösung. Der Hamburger Senat hat die „Klaukinder“ auf ein ordnungspolitisches Problem reduziert und sie einfach abgeschoben. Doch in Kopenhagen haben die Kinderbanden „schnell eine politische Diskussion über Menschenhandel entfacht“, wie Jahnsen von „Save the children“ bei dem gestrigen Treffen mit Hamburger Experten aus Sozialarbeit und Politik berichtete. „Die dänische Regierung sucht die Zusammenarbeit mit den Kinderschützern – das ist der große Unterschied zu Hamburg“, ergänzte Anke Wagener, Vormund für Flüchtlingskinder bei der Diakonie Hamburg-Blankenese.

Anders als Hamburg hat Dänemark noch keine der Kinder nach Rumänien abgeschoben, wo das Ceaucescu-Regime Not und Chaos hinterlassen hat. Gelangen die Jungen und Mädchen dort doch in die gleiche Ausgangslage zurück, aus der sie mit Gewalt hierher verbracht oder zur Flucht getrieben wurden, wie Jahnsen warnte: „Davor muss man sie schützen.“ An der Hamburger Praxis besonders „befremdlich“ findet Karen Theisen vom dänischen Roten Kreuz, dass die Behörden die Kinder ohne Altersfeststellung zurückverfrachteten und damit den Abschiebeschutz für unter 15-Jährige einfach umgingen.

Anders als in Dänemark, bilanzierte die Hamburgerin Wagener bitter, „stehen hier eben nicht die Rechte der Kinder im Fokus, sondern die Beseitigung der Kriminalität“. EVA WEIKERT