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Archiv-Artikel

Kölner Ermittler ermitteln gegen Kölner Chef-Ermittler

Wegen angeblichen Meineids eines Oberstaatsanwalts im Prozess um den Müllskandal hat die Kölner Strafverfolgungsbehörde offiziell ein Ermittlungsverfahren aufgenommen. Der Justizmitarbeiter soll ein Verhör mit einem Schweizer Verdächtigen verschwiegen haben

KÖLN taz ■ Die Kölner Staatsanwaltschaft ist zur Abwechslung mal in den eigenen Reihen tätig geworden. Sie leitetet ausgerechnet gegen den Leiter der Korruptionsabteilung ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Er soll sich des Meineids schuldig gemacht haben. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit dem Kölner Müllskandal.

Beim Prozess um die Schmiergeld-Millionen, die beim Bau der Müllverbrennungsanlage geflossen sind, soll der Oberstaatsanwalt unter Eid die Unwahrheit gesagt haben. Er war Anfang Mai diesen Jahres als Zeuge geladen worden, weil er den früheren Chef einer Schweizer Briefkastenfirma, Arthur A. Hoffmann, hinter dem Rücken des Gerichts verhört hatte. Auf die Frage, ob das Verfahren etwas mit dem Müllskandal zu tun hatte, antwortete der Staatsanwalt mit Nein. „Die Aussage ist unwahr“, schleuderte Richter Martin Baur dem Justizkollegen bereits im Gerichtssaal entgegen.

Der Oberstaatsanwalt hatte sogar einen seiner Mitarbeiter bewusst nicht von dem Verhör des Schweizers informiert, der damals immerhin mit Haftbefehl gesucht wurde. Dieses Verschweigen rechtfertigte der Ermittler später damit, dass sein Kollege „nichts davon wissen wollte“, um nicht nachher im Prozess von der Kammer „ausgepresst“ zu werden. Den internationalen Haftbefehl gegen Hoffmann hob der jetzt beschuldigte Staatsanwalt einfach auf – angeblich aufgrund eines Geständnisses. Richter Baur konterte später, das sei „kein Geständnis, sondern eher das krasse Gegenteil“ gewesen.

In der rund 500 Seiten dicken Urteilsbegründung des Kölner Müllprozesses widmete Baur mehr als eine ganze Seite dem grimmigen Staatsanwalt. Der hatte mit seinen flapsigen Antworten den Richter offenbar deutlich provoziert. Als dann noch das Wort „Unwahrheit“ in dem jetzt amtlichen Dokument auftauchte, platzte der Behördenleitung der Kragen. Flugs wurde ein offizielles Verfahren angelegt (Aktenzeichen 64 JS 244/04). Die Generalstaatsanwaltschaft muss jetzt entscheiden, welche Behörde den Fall unter die Lupe nimmt. Dafür kommen die benachbarten Staatsanwaltschaften in Bonn oder Aachen in Frage, die ein solches Verfahren nach üblicher Justizpraxis objektiver führen sollen als die eigene Behörde.

Weil er schwer erkrankt ist, ist der beschuldigte Staatsanwalt schon seit Wochen nicht mehr im Dienst. Die Korruptionsabteilung wird kommissarisch von einem Kollegen geleitet. Es ist aber nicht das erste Mal, dass sich der schillernde Oberstaatsanwalt Kritik von Vorgesetzten gefallen lassen muss. In den 1980er Jahren wurde gegen ihn schon einmal ermittelt, weil er im Gerichtssaal einen Meineid abgelegt haben soll. Das Verfahren wurde eingestellt. Anfang der 1990er Jahre machte er erneut Schlagzeilen, weil es angeblich Interessenkollisionen wegen einer dubiosen Maklertätigkeit gegeben haben sollte.

Frank Überall