abschiebehaft : Stoppt die Behördenwillkür
Eine junge Frau zwingt ihre Mithäftlinge zur Teilnahme am Hungerstreik, angeblich gar mit körperlicher Gewalt. Wenn dem tatsächlich so ist: ein dickes Ding. Aber nicht so, wie die Polizei sich das denkt. Zu verurteilen ist selbst dann nämlich nicht Rosemary Isaac, die in ihrer Verzweiflung handgreiflich geworden ist – sondern der Zustand der Berliner Abschiebepraxis.
KOMMENTAR VON FELIX LEE
Wenn eine junge Frau länger als ein halbes Jahr wie eine Verbrecherin weggesperrt wird, nur weil sie aus einem Land flüchtete, in dem Hunger, Krieg und Armut herrschen, dann ist an der Verhältnismäßigkeit irgendetwas faul. Schlimm dabei ist nicht nur, dass Flüchtlinge überhaupt inhaftiert werden, sondern auch, wie willkürlich die Behörden die Entscheidungen bei jedem Einzelnen treffen dürfen. Und die fallen nur selten zugunsten der Flüchtlinge aus.
Derzeit können Häftlinge bis zu 18 Monate in Abschiebehaft festgehalten werden. Damit liegt Deutschland im EU-Vergleich an der Spitze. Selbst in Italien, wo das Asylrecht in den vergangenen Jahren dramatisch verschärft wurde, liegt die Höchstdauer bei 40 Tagen.
Nicht nur die deutschen Haftzeiten sind spektakulär, auch die Auslegungspraxis der Berliner Beamten ist es anscheinend. Denn sie schöpfen ihre Möglichkeiten aus: Allein in Berlin sitzen jährlich rund 5.000 Personen im Abschiebeknast, häufig länger als ein halbes Jahr.
Aber nicht nur in der Frage der Haftdauer mangelt es an klaren Bestimmungen. Einheitliche Mindestnormen für Größe und Ausstattung der Hafträume fehlen genauso wie Kommunikationsmöglichkeiten der Inhaftierten mit ihren Angehörigen oder Anwälten.
Gefängnisleitung und Ausländerbehörde sollten nicht all ihre Kraft mit der Suche nach den Initiatoren des Hungerstreiks verschwenden, sondern sich den eigentlichen Ursachen der Misere widmen: und zwar indem sie der Behördenwillkür endlich ein Ende setzen.