: Gefährliche Gebetsmühle
Der Masterplan für die Kulturfördung von Sentor Peter Gloystein will Grundsätzliches verändern. Thomas Frey, Referent für Kulturpolitik der Arbeitnehmerkammer Bremen und Sprecher der Kulturpolitischen Gesellschaft über Förderphilosophien, Teufelsküchen und alibihafte Bekenntnisse
taz: Herr Frey, ist mit dem Masterplan eine Weiche gestellt worden?
Thomas Frey: Der Beschluss der Kulturdeputation sagt ganz eindeutig, dass dieser Masterplan verbindlich ist in seinen Kernaussagen für die Vergabe der 8,5 Millionen. Damit ist er realpolitisch ein Faktum und nicht nur einfach ein Stück Papier. Dieser erste Aspekt des Masterplans führt natürlich dazu, dass der Gesichtspunkt der Ökonomisierung von Kultur und des Sekundärnutzens von Kultur absolut im Vordergrund stehen, also: der ökonomische Nutzen, die Nähe der Kultur zum Dienstleistungsektor, die Nähe zum Tourismusgeschäft.
Gleichzeitg hat der Masterplan ein zweites Gesicht: Über die Schaffung einer Grundlage für die Vergabe des Kulturhauptstadtfonds hinaus formuliert er, wie man sich Kulturpolitik in Bremen künftig generell vorstellt. Da hat die Kulturdeputation sehr zu Recht gesagt: „Halt, da müssen wir inhaltlich mit einbezogen sein.“ Zur Frage der Kulturförderung wird es noch eine intensive Debatte geben.
Im Masterplan steht: „Die Projektförderung soll im Vergleich zur Institutionellen Förderung mehr Gewicht erhalten.“ Was wird diese Gewichtsverlagerung mit der Kulturlandschaft der Stadt machen?
Projektförderung ist für Bremen erstmal wichtig, weil man Dinge machen kann, die aus dem normalen Geschäft heraus nicht zu machen sind. Es muss diese Anreize geben, über das Gewohnte hinaus nachzudenken. Projektförderung ist sicher eine Möglichkeit, zusätzliche Kreativität freizusetzen. Und sie ist sicherlich eine Möglichkeit, Events herzustellen.
Auf der anderen Seite ist die institutionelle Förderung nicht von vornherein negativ zu betrachten. Institutionelle Förderung ist nichts anderes, als Möglichkeiten systematisch vorzuhalten, damit die Kultureinrichtungen arbeiten können. Man kann nicht Kultur an der Tankstelle zapfen, den Tank leer fahren und dann sagen: Jetzt suche ich mir mal ‘ne Tankstelle und zapfe wieder neu. Es muss auch Möglichkeiten geben, zu produzieren, ohne bestimmte Projektkriterien erfüllen zu müssen.
Aber stimmt in dieser Frage die Richtung des Masterplans?
Bremens Zukunft muss darin bestehen, in der Tat mehr Projektförderung zu machen, aber nicht als „Kampfbegriff“ gegen die institutionelle Förderung. Der Masterplan kann da missverstanden werden in dem Sinne: Statt institutioneller Förderung machen wir jetzt Projektförderung. Das wäre ein Schematismus, den ich heftigst kritisieren würde.
Kulturförderung, so der Masterplan, wird der Kultursenator künftig „weniger unter dem Gesichtspunkt der traditionellen Sparten betrachten“, statt dessen gehe es um „Vernetzung von Budgets, Sparten und Institutionen“. Was ist davon zu halten?
Man kann die Sparten nicht völlig auflösen. Man kann die Sparten auf den Prüfstand stellen, kann prüfen, ob die eine Sparte nicht schon so verschwistert ist mit anderen Breichen, dass es sinnvoll ist, sie auch zusammenzufassen. Die im Masterplan anvisierte Grenzüberschreitung macht aber nur dann Sinn, wenn man als Gegengewicht auch die Abgrenzung hat. Nur in diesem Spannungsverhältnis kann sich Kultur vernünftig entwickeln. Sonst haben wir nachher die Auflösung von allem und der Gegenstand verliert sich im allgemeinen Nebel.
Was würden Sie den Bremer Kultureinrichtungen jetzt raten?
Das Papier ist sehr stark mit dem Gestus geschrieben, den sekundären Nutzen von Kultur in den Vordergrund zu rücken. Und das Papier definiert Themen und Aufgabenstellungen unter dem Gesichtspunkt: Wie kann ich Wirtschaftsfördergelder für die Kultur nutzbar machen? Gleichzeitig steht dann nur ganz lapidar und alibihaft da: Kunst entdeckt ihre Themen selbst. Und: Kunst hat ihren Eigensinn.
Die Aufgabe der Kulturszene wäre es, sehr genau über den Eigenwert und Eigensinn von Kultur nachzudenken und diese Gedanken in die Diskussion miteinzubringen. Vor dem Sekundärnutzen muss als Prä der Eigensinn von Kultur stehen. Und der liegt sicherlich nicht in der Ökonomisierung und sicherlich nicht in der Rendite.
Wir kommen in Teufelsküche, wenn wir beginnen, immer mehr die Substanz dessen, was Kunst und Kultur ausmacht, sprich: ihren Eigenwert, gebetsmühlenartig vor uns herzutragen, aber nie zur Grundlage unserer Politik zu machen.
Interview: Klaus Irler