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Archiv-Artikel

„Das sind doch nichts als Sprechblasen“

Dieter Wiefelspütz, SPD-Innenpolitiker, lehnt den Einsatz von Wehrpflichtigen in der Polizei und im Zivilschutz ab

taz: Herr Wiefelspütz, Sie möchten die Wehrpflicht erhalten. Herr Stoiber will die Wehrpflicht retten, indem er sie auf Polizei, Grenz- und Katastrophenschutz ausweitet. Freut Sie die unerwartete Unterstützung?

Dieter Wiefelspütz: Mit Sicherheit nicht. Der Vorschlag von Herrn Stoiber ist völlig untauglich für den Erhalt der Wehrpflicht. Diese rechtfertigt sich ausschließlich durch die Aufgabe der Verteidigung nach außen. Deshalb wäre eine sicherheitspolitische Dienstpflicht im Inneren, wie Edmund Stoiber sie vorschlägt, verfassungswidrig. Er wird mit seinem abstrusen Vorschlag keine Mehrheit finden, nicht bei der Regierung und wohl auch nicht bei der Union.

Das Grundgesetz könnte der Bundestag ändern. Und die Polizei klagt des Öfteren über Personalmangel. Was spricht dagegen, dass Dienstpflichtige die Reihen der Polizei füllen?

Es gibt nicht zu wenige Bewerber für diesen Beruf, sondern mehr, als wir ausbilden können. Und wenn es in manchen Bundesländern einen Mangel an Polizisten gibt, sollte man die Kraft haben, neue Beamte einzustellen. Polizeiarbeit kann nur mit gut ausgebildeten Leuten gemacht werden. Dieses Know-how kann man nicht mal eben so in neun Monaten Dienstzeit vermitteln. Zudem diskreditiert Herr Stoiber seinen eigenen Vorstoß, denn er hat in Bayern die Zahl der Polizisten reduziert.

Dienstleistende kosten die klammen Länder sicherlich weniger als ein Polizeibeamter. Kann man mit Dienstleistenden nicht Geld einsparen?

Das ist doch eine abenteuerliche Argumentation. Wehrpflichtige dürfen nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden.

Polizeiliche Aufgaben können aber durchaus auch Menschen ohne spezielle Ausbildung wahrnehmen. Im Ausland tut dies die Bundeswehr.

Die Bundeswehr übernimmt notgedrungen diese Aufgabe im Ausland, wenn es keine Polizei gibt. Welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, haben wir alle bei den Krawallen im Kosovo gesehen.

Herr Stoiber steht mit seinem Vorschlag nicht ganz allein da. Auch Herr Schily wollte im Frühjahr eine allgemeine Dienstpflicht …

… das sind doch nichts als Sprechblasen. Sie haben gesehen, dass es in der Koalition niemanden gab, der diesen Vorschlag aufgenommen hat. Es gibt dafür keine Mehrheit.

In der DDR gab es eine Zivilverteidigung. Fast alle Bürger konnten vom Staat zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. Wäre das nicht in Zeiten der Terrorgefahr sinnvoll?

Es ist unverantwortlich, wenn Menschen ohne Ausbildung bei Terrorgefahren agieren. Außerdem möchte ich das paramilitärische Gesellschaftsbild der DDR nicht auf die Bundesrepublik übertragen.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ