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In Gelsenkirchen und Bochum werden neue Synagogen gebaut. Jüdisches Gemeindeleben erlebt dadurch im Ruhrgebiet eine Renaissance
VON KLAUS JANSEN
Es ist ein Symbol: Zwei mit Ornamenten verzierte Leuchter aus der in der Reichspogromnacht 1938 zerstörten Gelsenkirchener Synagoge werden nach über 60 Jahren an ihren Ursprungsort zurückkehren. Die Leuchter, die ein Bürger im September der Jüdischen Kultusgemeinde Gelsenkirchen geschenkt hat, werden den Synagogenneubau schmücken, der an der Stelle des von den Nazis abgebrannten ehemaligen Gebetshauses entstehen wird.
Am 9. November, zum 66 Jahrestag der Reichspogromnacht, wird in Gelsenkirchen der Grundstein für eine neue Synagoge gelegt. 5,2 Millionen Euro wird der Bau kosten, Stadt und Landesregierung unterstützen die 453 Mitglieder der Gemeinde finanziell. Platz für 200 Gläubige bietet das neue Gebetshaus, das jetzige Gemeindezentrum ist mit 65 Plätzen deutlich zu klein geworden. „Jeder Raum, in dem Menschen zum Beten zusammen kommen, ist eine Synagoge“, sagt Fawek Ostrowiecki, der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde. Dass nach so langer Zeit wieder ein richtiges Gotteshaus am alten Platz neu gebaut wird, ist für ihn aber „symbolisch unheimlich wichtig“.
Nicht nur in Gelsenkirchen, sondern im gesamten Bundesland entsteht jüdisches Leben neu. Grund dafür ist vor allem der seit Jahren andauernde Zuzug jüdischer Migranten aus Osteuropa. Etwa 4.000 dieser so genannten „Kontingentflüchtlinge“ kommen nach Angaben des Landeszentrums für Zuwanderung jährlich nach Nordrhein-Westfalen, die Mitgliederzahl der 19 jüdischen Gemeinden im Land ist von 4.750 im Jahr 1989 auf 26.900 im Jahr 2002 gestiegen. Die Folge: Die bisherigen Versammlungsräume werden zu klein. In Düsseldorf, der mit 7.300 Mitgliedern größten jüdischen Gemeinde in Nordrhein-Westfalen ist bereits ein neues Schul- und Jugendzentrum entstanden, Duisburg hat seit 1999 ein modernes Gebetshaus, und im benachbarten Krefeld entsteht ebenfalls eine neue Synagoge.
Auch die 1.100 Mitglieder starke jüdische Gemeinde in Bochum muss nicht mehr lange auf ein neues Gebetshaus warten: Momentan läuft ein Wettbewerb, in dem sich 36 Architekturbüros um den Zuschlag für den 6,2 Millionen Euro teuren Neubau bemühen. Bis zum Januar 2005 müssen die Entwürfe eingehen, im Februar soll eine mit Architekturprofessoren und jüdischen Vertretern besetzte Expertenjury den Sieger küren. Einfach wird der Neubau nicht, da Polizei und Innenministerium bei jüdischen Zentren besondere Sicherheitsvorkehrungen verlangen – von einer Umfriedung über Videoüberwachung bis hin zu Eingangsschleusen. „Die Wettbewerber müssen sich etwas einfallen lassen, um das umzusetzen“, erwartet der Bochumer Architekt Holger Rübsamen, dessen Büro die Ausschreibung vornimmt. „Keiner verlangt, dass eine zwei Meter hohe Mauer um das Gebäude gebaut wird, aber bestimmte Vorsichtsmaßnahmen sind zwingend“, sagt er.
Die Vorsicht ist begründet – auch sechs Jahrzehnte nach der Reichspogromnacht machen Rechtsradikale noch Front gegen Juden. Vor allem die NPD hat im vergangenen Jahr gegen den Bochumer Synagogenbau gehetzt, nach mehreren vorläufigen Verboten des Bundesverfassungsgericht durften Neonazis im Juni sogar gegen das Projekt auf die Straße gehen. Dass jüdische Kultur im Ruhrgebiet wieder auflebt, können Neonazis glücklicherweise aber nicht verhindern.