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Archiv-Artikel

Die vergoldete Zonenjugend

Sie sind jung. Sie sind erfolgreich. Sie treffen sich in einem Schwimmbad ohne Wasser: Die Generation 89 ist da. Na ja

von ROBIN ALEXANDER

Ach, was haben sie all die Jahre geheult: Wir kommen nicht vor. Niemand interessiert sich für uns. Der Osten kommt nicht zu Wort. Das alles gipfelte in der Forderung von Wolfgang Thierse, die Deutschen müssten „um die Einheit zu vollenden einander ihre Lebensgeschichten erzählen“. Dazu sagten alle „ja, ja“, und nur Harald Schmidt einmal die Wahrheit: „Ich mag die Lebensgeschichten der Ostdeutschen nicht hören. Sie haben keine Pointe.“

Das ist vorbei: Geschichten aus dem Osten haben jetzt Pointen. Die niedliche Warenwelt der DDR (Nudossi statt Nutella) plus die ästhetischen Zumutungen der Diktatur (Blauhemd und Appell) ergeben zusammen eine Komik, die Konjunktur hat. Zuerst verkaufte sich Jana Hensels Bestseller „Zonenkinder“ tausendfach, dann rollte die Welle der Ostalgie-Shows im Fernsehen. Nach Rowohlt und RTL will sich nun auch die SPD in die Verwertungskette einreihen: Auf Einladung des Ostforums der Partei trafen sich am Mittwoch in einem leeren Schwimmbad in Berlin-Prenzlauer Berg Menschen, die 1989 gerade volljährig waren und sich seitdem erfolgreich kultureller Produktion widmen. Das Kalkül ist klar: Die alten Ossis waren arbeitslos, haben gejammert und PDS gewählt. Die jungen Ossis sind erfolgreich, fröhlich und angekommen in der BRD. Der Abend war überschrieben: „Generation 89! Der selbstbewusste Osten.“

Das Ausrufezeichen und das anmaßende Adjektiv schienen allen Teilnehmern peinlich, und rasch kamen sie überein, eigentlich auch gar keine Generation zu sein. Im grünen Kachelambiente froren dort der Autor Jakob Hein und die Reporterin Jana Simon. Beide haben Bücher veröffentlicht, die Geschichten aus dem Osten erzählen, aber weder in Erinnerungen an Konsumgüter schwelgen, noch die Diktatur nur komisch finden. Jana Simons „Denn wir sind anders. Die Geschichte des Felix S.“, das mit dem Selbstmord des Protagonisten endet, ist geradezu ein Gegenentwurf zu den „Zonenkindern“ der abwesenden Jana Hensel. Simon und Hein führen zudem schon durch ihre Herkunft die These vom großen Kontinuitätsbruch 1989 ad absurdum: Schon Heins Vater und Simons Großmutter waren Größen in der Literatur der DDR.

Auch Enie van der Meiklokjes fror mit im leeren Bad. Die Viva-Bravo-Arte-Moderatorin und knallrote T-Online-Werbefigur erklärte ihre Karriere nicht mit 1989: Sie sei so gut, sie wäre auch in der DDR etwas geworden. Zu den zu Selbstbewussten erklärten im Schwimmbad zählten weiter eine Jungpolitikerin aus Brandenburg, ein Ausstellungsmacher aus Weimar und ein Redakteur einer Intellektuellenzeitschrift. Allesamt ratlos ob der Aufgabe, Auskunft zu geben über ihre Generation. Am ratlosesten aber war die Moderatorin Kerstin Decker, deren Gesicht Leser dieser Zeitung vom Foto unter ihren klugen Meinungsbeiträgen kennen. Weil Florian Illies behauptet, konstituierend für seine westdeutsche Generation Golf sei der Übergang von Lego zu Playmobil gewesen, fragte Decker nach „typischem DDR-Spielzeug“. Berichtet wurde von Streichholzschachteln und Zeug aus Westpaketen. Sieht er so aus, der selbstbewusste Osten: Erwachsene Menschen sitzen in einem leer gepumpten Schwimmbad und versuchen krampfhaft, sich an ihre Spielsachen zu erinnern?

Das Kind ist sowieso das Hauptmotiv, wenn der Generationenzirkus im Osten gastiert. „Zonenkinder“ heißt Hensels Buch. Von einer Generation, die zum „Leben als Hortkinder“ vorbereitet wurde, sprach der Autor Steffen Mensching in einer Eingangsrede. Mensching, Jahrgang 1958, kann man kaum zu einer Generation 89 zählen. Aber an diesem Abend, der den jungen, selbstbewussten Ossis gewidmet war, blieb das Kluge den Älteren vorbehalten. Der aus unerfindlichen Gründen auf dem Podium anwesende Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, bildete politisch: „Es gibt gar keine Generation 89. Das ist nur eine Masche, um Bücher zu verkaufen.“