CDU eiert bei Türken rum

Vorstandsmitglied Demirbüken: Absage der Unterschriftenaktion „Sieg der Vernunft“. Union mag sich aber nicht auf Parlamentssitz für Türkischstämmige festlegen. Den haben andere Parteien längst

VON STEFAN ALBERTI

Sedat Samuray hatte die Nachricht von der Absage schon ein paar Stunden zuvor gehört, doch der Triumph klang noch immer in seiner Stimme. Er, der einzige türkischstämmige CDU-Ortsverbandschef im Land, hatte mit seinem Parteiaustritt gedroht, sollte es tatsächlich zu einer Unterschriftenaktion gegen einen türkischen EU-Beitritt kommen. Nicht dass es an ihm lag, dass die CDU-Bundeschefin Angela Merkel nun von diesem Plan abließ. Aber kein Funktionsträger der Berliner CDU hatte seine politische Zukunft so sehr in die Waagschale geworfen wie er.

Samuray (52), der 1965 nach Deutschland kam, berichtete gestern von viel Unterstützung bei seinem Protest. Aber: „Der ein oder andere hat es mir krumm genommen, dass ich die Austrittsdrohung vorher nicht abgesprochen habe.“ Dass Merkel die Kampagne kippte, sei „ein positives Signal für die Türken in Berlin“. Der Berliner CDU sollen fast 200 Türkischstämmige angehören, mehr als die Häfte davon in Friedrichshain-Kreuzberg, wo Samuray den Ortsverband Chamissoplatz leitet.

„Die Stimme der Vernunft hat gesiegt“, reagierte Emine Demirbüken, Beisitzerin im CDU-Landesvorstand. Sie mochte jedoch nicht den Moment nutzen, auf ein türkischstämmiges CDU-Mitglied im Abgeordnetenhaus zu drängen. Auch die Parteispitze wollte das nicht in Aussicht stellen. SPD, PDS und Grüne haben im Parlament schon fünf in der Türkei geborene Abgeordnete. „Das ist Sache der Kreisverbände“, winkte Generalsekretär Gerhard Lawrentz ab. „Wenn der Landesvorstand da par ordre du mufti etwas vorgeben will, erreichen wir nur das Gegenteil.“

Demirbüken hatte bei der Wahl 2001 in Reinickendorf auf Listenplatz 6 kandidiert, der nicht für ein Mandat reichte. In Neukölln, wo eine Kandidatur wegen der großen türkischen Community näher liegend schien, hatte die CDU sie als Kandidatin abgelehnt.

So wie Demirbüken bei der Unterschriftenkampagne nicht mit Austritt drohen wollte, sondern Gegenaktionen ankündigte, bohrt sie auch hier dicke Bretter: „Gewisse Dinge müssen in der CDU erst reifen. Heute würde man bei der CDU Neukölln anders damit umgehen.“ Das sei wie bei ihrem Job als Integrationsbeauftragte: Sie müsse jahrelang Überzeugungsarbeit leisten. Generalsekretär Lawrentz sagte dazu: „Eine konservative Partei, die das Deutschsein betont, tut sich natürlich schwerer als andere Parteien damit, Türkischstämmige aufzustellen.“

Auch Kurt Wansner, Landesvize und CDU-Chef in Kreuzberg, hält nichts davon, bewusst ein Zeichen zu setzen: „Da würden dann doch alle sagen: der Quotentürke.“ Er pocht auf die klassische Ochsentour, die Partei habe ihre Strukturen: „In der CDU muss jeder seinen Weg gehen, da ist mir egal, ob er türkischstämmig oder libanesisch ist.“