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Archiv-Artikel

„Ein Held, der alles kann“

Männerzeitschriften haben den neuen Mann ausgerufen: den Starken mit den kuschelzarten Händen. Lars Bregenstroth über ein fragwürdiges Bild – passend zum heutigen Weltmännertag

Interview HEIDE OESTREICH

taz: Herr Bregenstroth, Männer rufen einen Weltmännertag aus und haben seit einiger Zeit Zeitschriften, die sich nur mit dem Mann an sich beschäftigen. Woher kommt die gesteigerte Aufmerksamkeit?

Lars Bregenstroth: Wir erleben gerade die Fortsetzung der Männergruppe mit anderen Mitteln. Dass Männer mit einem veränderten Geschlechterverhältnis umgehen müssen, ist jetzt in der breiten Bevölkerung angelangt. Dieser komplizierte Prozess wird von Massenmedien verarbeitet – durch Sendungen wie „Sex and the City“ und „Ally McBeal“ oder auch Frauen- und Männerzeitschriften wie Men’s Health.

Aber in Männergruppen herrschte doch ein anderer Ton als in Men’s Health. Die haben sich eher selten über Waschbrettbäuche unterhalten, oder?

Männergruppen reagierten auf Anfragen und Angriffe der Frauenbewegung. Sie wollten ihre Rolle überdenken und neu gestalten. Die Zeitschriften heute reflektieren nicht die Rolle des Mannes an sich. Sie schließen an das traditionelle Männerbild an und geben Tipps, wie es unter heutigen Bedingungen funktionieren kann. Männer sollen an sich arbeiten, aber nur noch, um diesen Typus zu optimieren.

Wie tauglich ist Men’s Health als Wegweiser durch die neue Orientierungslosigkeit?

Anders als früher gibt es im Moment kein verbindliches Modell für die Geschlechterbeziehung. Es muss neu verhandelt werden. Dazu ist Reflexion eigentlich bitter nötig: Man muss über eigene Prinzipien und Wünsche nachdenken und über die Rolle, die man im Verhältnis zum anderen Geschlecht spielt oder spielen will. Men’s Health suggeriert, dass das nicht nötig ist. Es spricht die Probleme an, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Dann gibt es fünf Tipps, wie man angeblich damit zurechtkommt.

Praktisch. Aber der Typ muss auf jeden Fall ein Siegertyp sein. Das klingt anstrengend.

Stimmt. Heute richtet die Frau als Instanz über die Anerkennung eines Mannes. Früher entschied der Männerbund, ob ein Mann ein Mann ist: Der Verein, der Chef oder die Arbeitskollegen. Die Frau war hingegen abhängig vom Mann und deshalb verpflichtet, seine Männlichkeit nicht in Frage zu stellen. Heute können Frauen zumeist frei entscheiden, mit wem sie eine Beziehung aufnehmen und wann sie diese auch wieder beenden. Dadurch entsteht eine neue Art von Leistungsstress.

Feministinnen befürchten, dass der Machtanspruch der Frauen ein stärkeres Dominanzstreben der Männer zur Folge haben könnte. „Backlash“ heißt das Schlagwort.

Das sehe ich etwas anders. Wenn Frauen in eine Jurorenposition gehoben werden, macht die Strategie „mehr Dominanz“ keinen Sinn. Die Zeitschrift transportiert zwar das Bild, dass der Mann eigentlich der Stärkere und Kompetentere ist, der kulturelle Leistungsträger, der das Penizillin und das Rad erfunden hat, wie es an einer Stelle so schön heißt. Aber er will ja etwas von der Frau. Deshalb stellt er sich auf deren Ansprüche ein.

Ist das nicht ein widersprüchliches Bild?

Die Zeitschrift leistet damit auch eine Bestätigung, die der Mann in der Realität nicht mehr bekommt. Als Entschädigung dafür, dass man eigentlich auf die Frauen angewiesen ist, macht man sie subtil ein bisschen herunter.

Welche Zugeständnisse an die Frau von heute werden denn gemacht?

Der Mann soll zum Beispiel kochen. Oder er näht seine Knöpfe selber an. Das wird dann in den Männlichkeitsdiskurs verpackt. Da heißt es: Seien Sie ein ganzer Mann, besorgen Sie sich einen ganzen Fisch. Das Knopfannähen wird zum Abenteuer: Der Mann schlägt sich durch die Fährnisse und Tücken des Alltags. Er kann alles und rettet darüber hinaus auch noch die Frau.

Mit Knopfannähen?

Dem Mann wird suggeriert, er sei der klassische Held: Wenn er alles befolgt, dann wird die Frau ihm wieder zu Füßen liegen. Dabei geht es eigentlich nur ums Fischbraten.

Der Mann darf sich also durchaus überlegen fühlen, muss aber im Zweifelsfall doch das Fahrrad reparieren. Zeichnet Men’s Health da nicht ein widersprüchliches Frauenbild?

Ja, aber die Zeitschrift thematisiert die Widersprüchlichkeit nicht als solche, sondern stellt sie als ewiges Rätsel der Weiblichkeit dar. Als ihre Irrationalität. Und: Trara! Mit Hilfe von Men’s Health kann man sie entschlüsseln. Das ist praktisch, weil man ein Problem immer wieder neu mit Pseudolösungen versieht. Der Mann braucht also ewig die angebliche Hilfe der Zeitschrift.

Wie sieht so eine Pseudolösung aus?

Ich erinnere mich an einen Text, in dem es um Handpflege geht. Erst will Frau das Fahrrad repariert haben, dann einen einfühlsamen Kuschler mit streichelzarten Händen. Die Zeitschrift gibt daraufhin Pflegetipps, die zeigen, wie Mann sowohl das Fahrrad reparieren kann als auch zarte Hände behalten. Men’s Health formuliert hohe Ansprüche an Männer, die mit Hilfe der Zeitschrift zu erfüllen sein sollen.

Die Emanzipation des Mannes wird also weiter auf sich warten lassen?

Jedenfalls wird Men’s Health nicht dazu beitragen. Es gibt keine Anstöße zur Reflexion, was aber bitter nötig ist. Die Zeitschrift macht das Gegenteil: Sie erhöht den Druck – auf beide Geschlechter. Eine Redakteurin von Men’s Health schrieb einmal, dass die Zeitschrift – wenn sie schon kein Medium der Emanzipation ist, zumindest dazu beiträgt, Gleichheit im Attraktivitätsterror herzustellen. Die Frage ist, ob das der Modus ist, in dem wir zusammenleben wollen.