: berliner szenen Bob Dylan im Kiez
Mitgepilgert
„Entschuldigen Sie, wie geht’s zur Max-Schmeling-Halle?“ Vorgestern Abend war’s wieder so weit: Tausende pilgern durch unseren Kiez zur Mehrzweckhalle in den Mauerpark. Sie steigen aus an den Haltestellen Schönhauser Allee oder Eberswalder Straße und wandern zielstrebig zum Mega-Event, bis sie das Gefühl beschleicht, sich verlaufen zu haben, worauf sie die Kiezbewohner nach dem Weg fragen. Heute spielt der Folkpapst in der Nachbarschaft: Bob Dylan. Die einzige Person der Popöffentlichkeit, der man wirklich alles verzeiht. Dylan hat Carte Blanche: Von akustisch hat er auf elektrisch umgestellt, von traditionell auf eklektisch und von heidnisch auf römisch-katholisch. Die ganze Pampe der Moderne in einer Person. Der Beyoncé-Völkerwanderung bleibt man noch fern und schaut der Fangemeinde vom Balkon aus zu.
Aber Dylan? Heute wird mitgepilgert! 0,4 km berechnet der Routenplaner zum Popmessias. In bester Frühlingsabend-Stimmung schreiten wir durch unseren Gleimkiez. Ein weißer Trash-Himmel erwartet uns in der Halle. Über der Bühne hängt ein Auge mit einer Krone: Bob Dylan – das Auge des Königs? Der Marsch nach Zion durch die Hallenfrittenbuden von Babylon? Zufrieden schleckt eine Nachbarin ihr Fruchteis. Zum Refrain erkennt die Fangemeinde Dylans Klassiker: „Blowin’ in the wind“. Dazu bläst uns der Geruch von Currybude, Räucherstäbchen und Körperausdünstungen um die Nase. Dylan spielt mit der rechten Hand Orgel, in der linken Hand hält er seine Mundharmonika, die er sich von Zeit zu Zeit wie ein Sandwich in den Mund schiebt. Die Fastfood-Buden in der Nachbarschaft sind anschließend überfüllt: 5.000 Dylan-Jünger haben mächtigen Kohldampf! MAURICE SUMMEN