: Karstadt hält Städte an langer Leine
Die Ruhrgebietskommunen sehen der Karstadt-Krise gelassen entgegen: Sie glauben, ihre Filialen in den nächsten drei Jahren aufmöbeln zu können – und dann wieder von der imaginären Streichliste des Essener Konzerns zu verschwinden
RUHR taz ■ Horst Schiereck will eine mustergültige Krise hinlegen. „Herne ist Modellstadt für das Karstadt-Problem“, sagt der neu gewählte SPD-Oberbürgermeister von Herne. Seine Filiale sei von der Größe und der Lage her typisch für den Umstrukturierungsprozess des Essener Konzerns. Vorgestern Nachmittag traf er mit dem Vorstand von Karstadt zusammen, kurz darauf ist er optimistisch. „Der Turnaround ist geschafft“, strahlt Schiereck. „Es war ein tolles Gespräch, so offen“, sogar Grafiken habe ihm die Konzernspitze gezeigt, die Kurve gehe wieder nach oben. „Die Essener haben ein hohes Interesse an flotter Fahrt in Herne“, sagt Schiereck, der Tanker könne hier gewendet werden.
Noch vor einer Woche war Herne unter den traurigen drei Städten des Ruhrgebiets, die auf ihre Karstadtfiliale Verzichten sollten: Häuser in Herne, Bocholt und Duisburg-Homberg stünden auf der Liste der Warenhäuser ohne Bestandsgarantie, sagte. KarstadtQuelle am vergangenen Donnerstag. Nur für 67 der 77 Karstadt-Filialen mit einer Verkaufsfläche von weniger als 8.000 Quadrametern sei die Zukunft sicher. Unabhängig von dieser Garantie würden für die kommenden drei Jahre alle 77 Häuser in die Gesellschaft Karstadt Kompakt umgewandelt.
Auch Duisburg drängelt sich am Ende der 77er-Schlange. Hier steht und fällt das Stadtteilzentrum Homberg mit dem Karstadthaus. Der Flachbau mit Parkplätzen, ein typischer 70er-Jahre-Bau, ist der einzige größere KundInnen-Magnet zwischen kleinen Apotheken, Bäcker- und Blumenladen. „Ein Karstadt-Aus wäre ein herber Verlust“, sagt Stadtsprecher Josip Sosic. Aber die Stadt könne da wenig tun. „Wie soll das gehen?“ Der Konzern müsse seine Fehler selbst verantworten und wieder attraktiver werden. Aber die Bezirksvorsteherin Hombergs habe schon um einen Termin bei Karstadt gebeten, bald soll es auch zu einem Treffen kommen.
Auch Bocholt kann nicht abschätzen, wie die Zukunft seines Karstadthauses aussieht. „Es wird viel spekuliert, aber nichts bestätigt“, sagt Bocholts Sprecher Karsten Tersteegen. Zwar habe es bereits ein Gespräch gegeben, nach dem die Stadt „verhalten optimistisch“ sei. Wie der Konzern die Ertragskraft steigern wolle, wisse er nicht. „Wir können nur flankierend helfen“, sagt Tersteegen. Bocholt habe immer alles für sein Zentrum getan und keine Einkaufscenter auf der grünen Wiese angesiedelt.
Wie die Ruhrgebiets-Filialen wieder schwarze Zahlen schreiben sollen, bleibt das Geheimnis von Karstadt Kompakt. Andere Sortimente, lokal verankerte Waren sind die Ideen, die bisher kursieren.
Bis dahin demonstriert Schiereck in Herne, zusammen mit einer neu gegründeten Bürgerinitiative, für den Erhalt des Warenhauses. „Ich stehe nicht nur hinter der BI, ich bin an der Spitze“, brüstet er sich. Was nach den drei Jahren passiere, wisse er natürlich auch nicht. „Da ist aber ein rosa Schimmer“.
ANNIKA JOERES