: Hundenapf fürs Weiße Haus
AUS BADEN-BADEN INGO ARZT
Den goldenen Hundenapf würde Rainer Ketterer Barack Obama schenken, als Futternapf für den First Dog. Es ist nämlich so, dass der US-Präsident direkt neben Rainer Ketterers Geschäft auf dem Marktplatz von Baden-Baden von Angela Merkel empfangen wird, und vielleicht schaut die Kanzlerin ja auch mit herein. Ketterer hat außerdem ein Art Sanduhr in petto, die „Baden-Barack“ sagt, wenn man sie umdreht. Oder eine pink-weiße Kuckucksuhr.
Rainer Ketterer, der dezent gekleidete Geschäftsführer von „Apple green“, einem Geschäft für Innenraumdesign, das Haar leicht gelichtet und mit begeisterten braunen Augen, verkörpert in diesen Tagen so etwas wie Baden-Baden. Eine adrette Stadt, genervt von dem Sicherheitsproporz und aufgeregt wie ein Kind vor Weihnachten. Um 15.30 Uhr, wenn Obama mit extra aus Berlin eingeflogenem militärischem Rumtata empfangen wird, steht Ketterer in seinem Laden in der „roten Zone“ von Baden-Baden und schaut zum Fenster heraus. Aufmachen darf er es nicht und zur Tür raus erst recht nicht, aber er hat ein Schild im Schaufenster: „Don’t forget a gift for Michelle.“ Obama wird es wohl lesen, aber Zeit zum Shoppen bleibt ihm kaum: Er verweilt nur kurz, trägt sich im Rathaus ins Goldene Buch der Stadt ein, bereits um 15.45 Uhr sollen die bilateralen Gespräche mit Angela Merkel beginnen.
Baden-Baden muss deshalb einiges über sich ergehen lassen: Auf der Klosterwiese stehen Limousinen und ein halbes Dutzend Hubschrauber, hier werden die Staatschef einschweben und dann durch die Stadt fahren. Die ganze Parkanlage ist „Gelbe Zone“ – Zugang nur für Anwohner unter Begleitung eines Polizisten –, und so manche Bürger machen sich Sorgen, wo denn der Hund hinmachen soll, während die Politiker im Kurhaus den Geburtstag der Nato feiern.
Solche Geschichten erzählen sie im Bürgerbüro, in dem seit Februar die Bürger der alten Römerstadt ihre Fragen loswerden konnten. Große Innenstadtpläne hängen an Stellwänden und zeigen die Sicherheitszonen, eine Mitarbeiterin der Stadt diskutiert mit einem Bürger, wo man wohl am besten Obama gucken kann. Er könnte, sehr zum Widerwillen des Secret Service, sogar ein Bad in der Menge nehmen.
6.000 Polizisten sollen in Baden-Baden die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten schützen. Hubschrauber üben seit Tagen, wie man landet oder einfach über der Stadt kreist. Die Polizei übt ebenfalls seit Tagen am Boden, wie man an Straßenkreuzungen vor Einsatzfahrzeugen rumsteht.
Hin und wieder auch Bundeswehr: Vor dem Kongresshaus marschiert ein kleiner Trupp tarngefleckter Soldaten vorbei. Wobei, es gleicht eher einem Watscheln. Man hat sie wohl unmittelbar nach Schulschluss in Uniformen gesteckt. Der Frontmann schaut grimmig, dahinter grinsen sie verlegen, als ob sie nüchtern eine Polonaise aufführen müssten. „Total genervt“ sei man, sagt die Verkäuferin einer Eisdiele, wo man eigens zum Gipfel ein Nato-Eis mit Prosecco-Geschmack anbietet. „Die Nato lädt sich ein und erklärt die Bürger zum Sicherheitsrisiko“, sagt ein Restaurant-Besitzer.
Damit steht die Bundeswehr mit ihrem Trupp gewissermaßen in der Tradition der römischen Armee. Die war hier auch zu einem eher gemütlichen Einsatz gekommen. Das Gerücht sagt, dass die Römer den Dampf der heißen Quellen des Tales mit den Feuern von Feinden verwechselten. In Ermangelung von Feinden bauten sie eine Therme, um ihre rheumatischen Glieder zu beruhigen, man kann die Ruinen noch heute anschauen. Im 19. Jahrhundert nannte man Baden-Baden die Sommerhauptstadt Europas, Könige und Kaiser kamen hierher, die Stadt ist voller verschnörkelter Jugendstil-Villen, an denen der kleine Oosbach vorbeiplätschert. In diesem Jahr war schon der Dalai Lama da, Bill Clinton kommt regelmäßig in ein Restaurant neben dem Kongresshaus. Schließlich haben Konrad Adenauer und Charles de Gaulle in Baden-Baden 1962 den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterschrieben.
„Man muss eben nicht raus. Die Welt kommt nach Baden-Baden“, sagt eine Studentin, die Touristen dabei zuschaut, wie sie Erinnerungsfotos mit gepanzerten Polizisten machen – als Hintergrund bieten sich die Nato-blau beleuchteten Säulen des Kurhauses an. Sabrina heißt sie, und weil sie in einer Straße mit Blick aufs Kurhaus wohnt, erzählt sie beinahe gleichgültig, wie es bereits im Dezember 2008 bei ihr klingelte. Es standen drei Beamte in Zivil vor der Tür, sie seien durch das ganze Haus gestapft und hätten sich genau notiert, in welcher Richtung Fenster und Türen aus ihrem Haus führten. So sei es in vielen Häusern in unmittelbarer Nähe der Tagungsorte gewesen, sagt sie.
So wie jedes Haus kartografiert ist, so wird auch der Protest peinlich genau um die Tagungsorte herumgeleitet. Ein lokales Anti-Nato-Bündnis veranstaltet am Donnerstagabend eine Kundgebung vor dem Festspielhaus. Klaus Lipps, einer der Initiatoren, schimpft wie kaum ein Bewohner der Stadt über die Einschränkung von Grundrechten, wie er sagt. Eine Friedensdemonstration am Freitag ab 12 Uhr soll weitläufig um die Tagungsorte herumgeführt werden. Eine Blockade der Zufahrten zum Kurhaus ist angekündigt, vermutlich mit wenig Aussicht auf Erfolg.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft malt zwar traditionell schwarz: Reisende Gewalttäter könnten den Protest der Friedensbewegung gezielt für Randale und brutale Übergriffe auf Polizisten missbrauchen, sagte deren Chef Konrad Freiberg. Allerdings ist Baden-Baden schlauchförmig angelegt, es gibt kaum freistehende Flächen. Die Stadt ist leicht zu sichern. Blockierer dürften zudem, anders als auf den offenen Feldern rund um den blockierten G-8-Gipfel vor zwei Jahren in Heiligendamm, kaum Chancen haben, Polizeisperren zu umwandern. Die NPD hat unterdessen ihre geplante Kundgebung abgesagt: Den Organisatoren war am Mittwoch aufgegangen, dass sie zur gleichen Zeit Parteitag in Berlin haben und keiner der geladenen Redner erscheinen kann.
In der Innenstadt von Baden-Baden sind sie ohnehin relaxt. Die meisten Geschäfte haben auf und hoffen auf ein paar kaffeeschlürfende Journalisten oder Delegationsmitglieder der seit gestern 28 Nato-Staaten. Verbarrikadiert hatten sich am Dienstag genau zwei Ladenbesitzer. Insgeheim hoffen die meisten, der US-Präsident möge sie wenigstens kurz beehren. Die größten Chancen dürfte Rainer Ketterer haben. Er hätte, sagt er, auch ein hölzernes Hawai-Mädchen mit grünem Bastrock im Angebot, die könnte der Präsident vorn in seine Limousine kleben.