Der kleine Unterschied …

… spaltet die EU. Gestern beschloss die Kommission eine Richtlinie, die den Versicherungen gleiche Tarife für Männer und Frauen vorschreibt. Zu viel der Gleichheit, findet die Wirtschaft. Auch bei der deutschen Riester-Rente soll es Unisex-Tarife geben

von HEIDE OESTREICH
und DANIELA WEINGÄRTNER

Die EU-Kommission hat gestern den Entwurf für eine Gleichstellungsrichtlinie gebilligt. Sie soll sicherstellen, dass niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt wird. Zum ersten Mal werde der Bereich außerhalb des Arbeitslebens gegen Diskriminierungen geschützt, erklärte die zuständige Kommissarin Anna Diamantopoulou.

Wenn nach einer Übergangszeit von zwei Jahren die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist, kann jede und jeder gegen geschlechtsbedingte Diskriminierungen klagen – zum Beispiel gegen höhere Frauentarife in der Krankenversicherung oder gegen höhere Männertarife bei der Autohaftpflicht. Vor allem der Verband der Versicherungswirtschaft hatte Diamantopoulous’ Pläne im Vorfeld heftig kritisiert. Die Versicherer drohten an, gegen die Richtline vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, da sie angeblich Männer diskriminiere.

Die Sozialkommissarin ging gestern ausführlich auf die Kritik ein. Erfahrungen in Großbritannien hätten gezeigt, dass gleiche Tarife für Männer und Frauen keineswegs zu höheren Preisen führten. In den USA hätten Schwarze eine signifikant niedrigere Lebenserwartung. Es wäre dennoch undenkbar, die Versicherungstarife nach Hautfarbe zu staffeln. „Zögern Sie nicht, das Wort ‚Geschlecht‘ durch das Wort ‚Rasse‘ zu ersetzen“, sagte sie. „Dann erst wird Ihnen klar, wie ungeheuerlich solche Unterscheidungen sind.“

Der ursprüngliche Entwurf hatte noch weitreichendere Vorschriften vorgesehen – zum Beispiel gegen diskriminierende Werbedarstellungen. Hier muss noch nachgebessert werden“, fordert etwa die Grünen-Abgeordnete im EU-Parlament, Hiltrud Breyer. Doch auch die jetzt vorliegende Fassung hat noch einen weiten Weg vor sich. Am Ende müssen alle 25 EU-Regierungen zustimmen. Großbritannien und Deutschland gelten bisher als strikte Gegner der Richtlinie.

In Deutschland tobt die Debatte um Unisex schon länger, weil diese Tarife für die staatlich geförderte private Riester-Rente eingeführt werden sollen. „Nach meiner Auffassung dürfen Benachteiligungen von Frauen nicht mit staatlicher Förderung festgeschrieben werden“, sagte Frauenministerin Renate Schmidt (SPD) der taz. „Wenn der Bauarbeiter mit dem langlebigen Professor solidarisch ist und dieselben Beitragssätze zahlt, dann kann er erst recht mit seiner eigenen Frau solidarisch sein“, argumentiert die Grüne Breyer.

Peter Schwark vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft rechnet vor, dass Männer bei der Riesterrente etwa 10 Prozent mehr zu zahlen hätten. „Dass Frauen dementsprechend weniger zahlen müssten, es also nicht ‚insgesamt teurer wird‘, hat noch niemand vorgerechnet“, merkt die Vizevorsitzende der CDU-Fraktion, Maria Böhmer, gegenüber der taz an. „Ich halte Unisex-Tarife bei der Riesterrente für überfällig.“

Besonders kompliziert wird die Debatte, weil Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) die Riester-Rente nun zwar gerechter gestalten will, aber nicht mit Unisex-Tarifen, sondern mit einer Methode, die die Riester-Rente tatsächlich verteuern würde. Sie versucht, eine Angleichung der Tarife herzustellen, indem sie alle verpflichtet, Hinterbliebene mit abzusichern. Da dann Männer ihre Frauen und Frauen ihre Männer zu deren jeweiligem Tarif mitabsichern, gäbe das eine Art Ausgleich, so die Rechnung des Sozialministeriums. Allerdings würden die Prämien tatsächlich für alle teurer, weil jeder noch Hinterbliebene mitversichern muss. „Der Vorschlag von Ulla Schmidt ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Das bedeutet jedoch nicht generell Unisex-Tarife“, erklärte Frauenministerin Schmidt. Die frauenpolitischen Sprecherinnen von CDU, SPD und Grünen sind enttäuscht von der Sozialministerin und fordern einen echten Unisex-Tarif, wie ihn die neue Richtlinie vorsieht. „Die EU-Richtlinie befördert dieses Thema. Ich begrüße die Zielsetzung der Richtlinie“, so Frauenministerin Schmidt, bleibt jedoch vage: „Unisex-Tarife müssen im Detail geprüft werden. Man muss sich genau anschauen, in welcher Form dies in unserem Rechtssystem geht.“ Mit einer EU-Richtlinie im Nacken könnte diese Prüfung etwas leichter werden.

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