Sex mit Mickey

Das Kulturmagazin „Steinstraße 11“ wird, wie ein Pornoheft, nur als „Bückware“ verkauft. Warum?

BERLIN/ MÜNCHEN taz ■ Pornografische Parodien von Donald Duck oder Mickey Mouse – die so genannten „Tijuana-Bibles“ – sind für Kenner des Genres ein rührendes Stück amerikanischer Zeitgeschichte. Deswegen widmete sich die in München erscheinende Kulturzeitschrift Steinstraße 11 diesem Genre, kommentiert von Pulitzer-Preisträger Art Spiegelman. Für den Anwalt der Grossisten, die Kanzlei Auer-Witte-Thiel, ist das zu heikel. In ihrer „Vertriebsempfehlung“, die der taz vorliegt, ist Steinstraße 11 nur „beschränkt“ zu vertreiben – und liegt damit in der Schmuddelecke neben eher fotolastigen Heftchen wie Club International Hardcore.

Für Gina Kehayoff, die das Magazin sechmal im Jahr mit einer Auflage von 25.000 Exemplaren herausgibt, ist diese Entscheidung der Anwälte eine Katastrophe: „Es bedeutet, dass das Heft nur an solche Buchhandlungen ausgeliefert wird, die eine Schmuddelecke haben.“ Also fehlt Steinstraße 11 in den literarischen Buchhandlungen – oder ist dort nur auf Anfrage als „Bückware“ unter dem Ladentisch zu erhalten.

Denn Grossisten halten sich „grundsätzlich“ an die Empfehlungen der Kanzlei, wie Michael Hirsch, Vertriebsleiter des Münchener Grossisten Trunk, auf Anfrage bestätigte. Gegenüber der taz verteidigte Karl Ulrich Witte von Auer-Witte-Thiel seine Empfehlung, mochte sich aber in dieser Angelegenheit aber nicht zitieren lassen.

Gina Kehayoff hat sich inzwischen bei der Bundesprüfstelle für Jugendschutz selbst angezeigt, weil sie sich von deren Prüfung eine vernünftigere Einschätzung erwartet hatte. Weil aber auch der zuständige Staatsanwalt keine Straftat feststellen konnte, wurde die Prüfstelle gar nicht erst tätig – und die Empfehlung von Auer-Witte-Thiel bleibt bestehen. Ein Teufelskreis.

Auf diese Weise verhindert ein prinzipiell vernünftiger Schutzmechanismus der Grossisten – etwa gegen Publikationen mit offensichtlichen oder versteckten rechtsradikalen Inhalten – die Verbreitung eines lesenswerten Kulturmagazins.

Die nächste Ausgabe von Steinstraße 11 erscheint am 6. Dezember. Bis dahin lohnt es sich, im Buchhandel danach zu fragen – vielleicht bückt sich ja jemand. ARNO FRANK