Die Rätsel-Reform

Keiner versteht, was die Fachleute reden: SPD-Diskussion um „Bürgerversicherung versus Kopfpauschale“ ging an der Basis vorbei

Bremen taz ■ „Ich kann mir keine Meinung bilden – alles fließt“, sagt ein Mann aus der SPD-Basis. Einer der derzeit präsentesten Fachleute in Sachen Gesundheitsreform, Karl Lauterbach, hat zuvor zwei Stunden lang versucht, die Ideen der SPD dem Volk zu erklären. Im vollbesetzten Saal des DGB-Hauses diskutierte der Kölner Universitätsprofessor und Rürup-Kommissionsmann mit Bremern, was nun das bessere Modell sei. Das von Rürup und der SPD oder das von Herzog und der CDU.

Lauterbach bevorzugt die Bürgerversicherung: die Beibehaltung des bisherigen Krankenversicherungssystems unter Einbeziehung von Beamten, höheren Einkommensgruppen, Mietzins und Kapitaleinnahmen. Das aber ist in der SPD noch nicht Konsens, auch die Kopfpauschale gilt als möglich – eben jenes von der Herzog-Kommission empfohlene Modell eines einheitlichen Beitrags pro Nase samt Steuerausgleich für die Menschen, die mit wenig Geld auskommen müssen. Diese Gegenposition vertritt Till Spiro, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen. Das Problem dieses Donnerstagabends: Die Fachleute verstricken sich in Details, aber die Zuhörer wollen etwas ganz anderes, viel Einfacheres wissen – wo sind die Unterschiede in den Modellen? „So ein dummes Gelaber“, sagt denn auch jemand im Publikum.

Weder das noch andere Unmutsbekundungen hindern Lauterbach daran, ein Rechenexempel nach dem anderen herunterzubeten, um so die Ungerechtigkeit der Pauschale für den Mittelstand zu betonen. Spiro hingegen kontert kaum und gibt lieber den „Sprecher der nachrückenden Generation“.

„Es geht immer nur ums Geld und nie um die Patienten“ beklagt sich Norbert Kaufhold, Vorstandsvorsitzender der AOK Bremen. Damit trifft er den Nerv der Genossen. „Wir müssen was machen, was die Menschen verstehen.“ Dafür gibt es lauten Beifall. Welchen Ansatz er nun bevorzugt, erklärt Kaufhold nicht, aber lässt durchblicken, dass er sich die Privatpatienten nicht unbedingt als Kunden wünscht. Wichtig, bei welchem Modell auch immer, sei, die rasante medizinische Entwicklung zu berücksichtigen.

Darüber würde sich auch Heidrun Gitter freuen. Die Kinderchirurgin, die dem Vorstand der Bremer Ärztekammer angehört, wünscht sich mehr Zeit für die eigentliche Arbeit der Mediziner. Die zu erledigende Bürokratie „kostet einen Krankenhausarzt um die drei Stunden täglich und verschlingt enorme Ressourcen“, schimpft die Ärztin. Das Publikum ist verwirrt. Auf die Frage, welches Modell sie bevorzuge, Rürup oder Herzog, erklärt eine Frau aus dem Publikum: „Das andere“. Es bleibt wahr, was SPD-Landesvorsitzender Detlev Albers zu Beginn gesagt hatte: „Wir erleben die Reformen vorrangig als Einschnitte.“ Aber anscheinend verstehen wir sie nicht.Christiane Moser