: Wenn Homosexualität zur Sünde wird
Die muslimischen Verbände in Berlin reagieren ganz unterschiedlich auf Homosexuelle. Ein liberaler deutscher Imam sucht den Kontakt. Andere sprechen erst gar nicht über das Thema. Auch die christlichen Kirchen sind uneins
Am Ende hat doch alles mit Adam und Eva angefangen. Oder Adam und Havva. „So blöd das klingt“, sagt Stefan Förner, Pressesprecher des Erzbistums Berlin. Mit der „Bezogenheit der Geschlechter aufeinander“ und der „Möglichkeit der Fortpflanzung“. Die bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen eben nicht gegeben sei. Die Begründungen, mit denen christliche Würdenträger und muslimische Geistliche die Homosexualität zur Sünde erklären, gleichen sich.
„Nicht nur bei liberalen islamischen Kräften, auch bei der katholischen Kirche klaffen Reformwille und Alltag weit auseinander“, urteilt Jörg Litwinschuh vom Lesben- und Schwulenverband Berlin. Deshalb sei es nicht richtig, die christliche Welt als wesentlich toleranter darzustellen. Gerade die letzten Äußerungen Kardinal Ratzingers zur Homoehe muteten stellenweise fast fundamentalistisch an. Der Vorsitzende des ökumenischen Vereins „Homosexuelle und Kirche“, Thomas Beckmann, macht in Berlin Unterschiede zwischen den christlichen Kirchen aus: Der Versuch, gottesdienstliche Feiern für gleichgeschlechtliche Paare zu ermöglichen, auf evangelischer Seite. Kündigung für Mitarbeiter, die in eingetragenen Partnerschaften leben, auf katholischer. Da ist es kein Wunder, wenn Förner wahrnimmt, dass bekennende Katholiken unter den Schwulen und Lesben kleinlauter werden.
Auch homosexuelle Muslime gehen nicht Händchen haltend in die Moschee. Was ihre heterosexuellen Brüder und Schwestern über sie denken, fuße mehr auf kulturellen und weniger auf religiösen Grundlagen, erläutert der Kölner Islamforscher Andreas Ismail Mohr, konvertierter schwuler deutscher Muslim. Man könne mit einem Mann schlafen, ohne als homosexuell zu gelten. „Wichtig ist, wie aktive und passive Rollen verteilt sind, nicht nur in sexueller Hinsicht.“ Sein Berliner Kollege Ralph Ghadban erkennt sogar homoerotische Züge im Islam: „Im Paradies vergnügt sich der Gläubige bis in alle Ewigkeit mit Mädchen – und mit Knaben.“ In den Moscheen werde über das Thema nicht geredet.
Trotzdem sind manche muslimischen Verbände am Dialog mit Schwulenorganisationen interessiert. Mohammed Herzog, Konvertit und Imam der islamischen Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime, besuchte Gladt, die Gays und Lesbians aus der Türkei, und legte seine Version des Islam dar. Viele muslimische Bekannte sind dagegen. „Aber“, sagt Herzog, „ich muss es ja selbst wissen.“ Im Vortrag zitierte er Stellen aus dem Koran, in denen für Homosexuelle „Geschlechtsverkehr und alles Mögliche klipp und klar untersagt werden“.
Als „Privatsache der Leute“ sieht Hüseyn Midik von der Islamischen Union Berlin die sexuelle Orientierung der Gläubigen. Eine Moschee habe grundsätzlich für alle offen zu sein. Allerdings: „Homosexualität ist nicht etwas, was wir gerade fördern.“ Das zeigt auch die Absage eines Vertreters, der zum Bundeskongress türkischstämmiger Schwuler und Lesben eingeladen worden war. Im Fastenmonat Ramadam werden öffentliche Auftritte genauer beobachtet.
Bei der Islamischen Föderation (IFB) provozieren Anfragen zum Thema erst einmal einen Stoßseufzer: „Oh Gott“, sagt ein Mitarbeiter, bevor er mit dem Vorsitzenden Burhan Kesici verbindet. Der fasst sich kurz: „Das ist kein aktuelles Thema, und bei uns beschäftigt sich niemand damit.“ Die Zurückhaltung ist verständlich. Die IFB erteilt Religionsunterricht. Seitdem sie in der Rixdorfer Grundschule in Neukölln unterrichtet, „werden Mädchen schüchterner und erstgeborene Söhne selbstbewusster“, findet Marion Berning, die Direktorin. „Die sollten sich dazu äußern“, fordert sie.
JOHANNES GERNERT