: Berliner rufen den Inquisitor
Elf katholische Geistliche und vier Laien fordern Rom auf, einen Visitator über die Alpen zu schicken, um die Amtsführung von Kardinal Sterzinsky zu überprüfen. Der Druck auf Berlins Oberhirten wächst
von PHILIPP GESSLER
Ein historisch und bundesweit einmaliger Vorgang erschüttert das Erzbistum Berlin: In einem Brief an den Vatikan sprechen 15 Angestellte des Bistums, darunter acht amtierende Pfarrer, dem Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky in harschen Worten die Befähigung ab, weiter ihr Oberhirte zu sein. Zugleich fordern sie den zuständigen römischen Präfekten der Kongregation für die Bischöfe, den Kurienkardinal Giovanni Battista Re, auf, einen Apostolischen Visitator in die Hauptstadt zu schicken, „der dem Bischof Hilfe gibt für notwendige Entscheidungen“.
Bisher gab es in keinem deutschen Bistum eine solche Visitation. Der Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum, Hans-Jürgen van Schewick, beschreibt die Funktion eines Visitators als „Aufpasser“.
Der beispiellose Brief sorgt allerdings auch für Spekulationen, da der Sprecher der Briefautoren, Pfarrer Josef Rudolf von der Herz-Jesu-Gemeinde in Zehlendorf, durchaus nicht als linker oder radikaler Geistlicher gilt. Vielmehr war er früher Sekretär des konservativen Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner. Meisner war Vorläufer Sterzinskys in Berlin – das Verhältnis zwischen beiden Oberhirten gilt, auch wegen der Finanzkrise an der Spree, als angespannt.
Zudem ist auffällig, dass der Brief in durchaus konservativer Manier vor allem das geistige Versagen des Berliner Erzbischofs kritisiert – was auch im Vatikan besser anzukommen verspricht: „Unseres Erachtens“, heißt es in dem Brief, „ist aber nicht das Fehlen von Geldern das Hauptproblem. Es handelt sich hier vielmehr um eine schwere geistige und geistliche Krise. Der Umgang mit den Finanzen ist dafür nur symptomatisch.“
Der Kardinal war gestern nicht zu sprechen. Sein Sprecher erklärte, der Oberhirte sei im Gespräch mit den Autoren des Briefes. Zweifelhaft war die Unterstützung van Schewicks für Sterzinsky: Zwar lehnte der Laienvertreter einen Visitator ab, betont jedoch: „Nötig ist vielmehr, dass der Kardinal selbst im Prozess der Umstrukturierung von Bistum und Gemeinden sichtbar die geistliche Führung wahrnimmt.“ Bernhard Motter, Sprecher des hiesigen Priesterrates, bezweifelte, ob eine Visitation hilfreich sei. Ein echter Protest gegen den Brief sieht anders aus.