Ovationen für Lafontaine

Auf dem Landesparteitag der Saar-SPD liegen die Delegierten Oskar Lafontaine zu Füßen. Der redet den frisch gekürten Spitzenkandidaten Heiko Maas an die Wand

SCHIFFWEILER taz ■ „Wohlstand für alle! Wohlstand für das Volk!“ Robespierre vor dem französischen Nationalkonvent 1792 in Paris? Nein. Lafontaine vorm außerordentlichen Parteitag der saarländischen SPD 2003 in Schiffweiler. Der Beifall der Genossen für die „Stimme aus der Gruft“, so nennt der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) seinen Amtsvorgänger, ließ die ohnehin renovierungsbedürftige Turnhalle dort beben.

Mit pointierten Ausfällen gegen die „angebliche Reformpolitik“ der Bundesregierung, die alle Wohlhabenden verschone, dafür aber die Armen im Lande schröpfe, hatte Oskar Lafontaine die rund 400 Delegierten schon während seiner neunzig Minuten langen Parteitagsrede zu Beifallsstürmen animiert – und damit den Landespartei- und Landtagsfraktionschef Heiko Maas indirekt demontiert.

Maas will die SPD an der Saar in den Landtagswahlkampf 2004 führen und hielt selber auch eine durchaus pointierte, teils populistische Rede. Auch er geißelte die „falsche Reformpolitik“ der Bundesregierung, durch die die SPD ihr Profil verloren habe. Das wolle er wieder schärfen. Auch mit Reformen. Aber unter der Prämisse, „dass es den Menschen danach besser geht“. Deshalb sei die saarländische SPD die „wahre Reformpartei“. Maas gab den – moderaten – Lafontaine. Ebenso moderat fiel der Beifall für ihn aus. Original statt Fälschung? Im Foyer schwärmten die Genossen beim Bier nur von „unserem Oskar“, der vielleicht doch der bessere Kandidat gewesen wäre, um dem „schwarzen Peter“ Müller 2004 „das Fell über die Ohren zu ziehen“.

Maas war im September von Parteivorstand und Landtagsfraktion das Vorschlagsrecht zugestanden worden. In einsamer Klausur entschied er sich für sich und wird von der Mehrheit der Genossen inzwischen auch respektiert. Das geschlossene Votum der Delegierten für die von ihm vorgelegte Resolution „Neustart 2004“ für den Landtagswahlkampf war dafür Beleg. Ihren Oskar aber lieben sie, trotz seiner oft peinlichen Auftritte „im Reich“, wie die Saarländer die Restrepublik nennen.

In Schiffweiler jedenfalls sprang Lafontaine vor Begeisterung über die Ovationen immer wieder hoch in die Luft und schoss dabei eine Breitseite nach der anderen gegen die „Neoliberalen“ ab, die inzwischen alle Parteien beherrschten. Und in den Redaktionsstuben schrieben sich deren Anhänger „ihren eigenen Arbeitsplatz unter dem Arsch weg“. Die SPD jedenfalls müsse endlich wieder die Interessen der Arbeitnehmer und der Rentner vertreten. „Dann haben wir immer die Mehrheit.“

Dem Kanzler wies er schon einmal den Weg aus der „aktuellen Krise“ der Republik. Der Spitzensteuersatz dürfe auf keinen Fall gesenkt werden, alle anderen Steuersätze dagegen schon. Und zur Ankurbelung der Volkswirtschaft seien kreditfinanzierte öffentliche Investitionen zu tätigen. Zuvor allerdings hatte Lafontaine die „Schuldenmacherei“ der konservativen Landesregierung gegeißelt.

Dass er mit seiner wuchtigen Rede dem vor allem bei der Stammwählerschaft der saarländischen SPD noch immer um Reputation kämpfenden jungen Heiko Maas (37) einen Bärendienst erwiesen hatte, bemerkte Lafontaine (60) erst am Schluss. „Ich will mit Heiko für die Mehrheit kämpfen“, schob er mit rotem Kopf nach. Der „Milchbubi Maas“ (Müller/CDU) klatschte brav Beifall – mit starrem Blick an die Hallendecke.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT