duma billigt kioto : Zur Vernunft überredet
Eigentlich ist der russischen Regierung das Thema Klimaschutz völlig egal. Wenn sie jetzt die Ratifizierung des Kiotoabkommens beschließt, hat das weniger mit der Liebe zur Umwelt als mit globaler Machtpolitik zu tun: Russland bekommt Unterstützung beim WTO-Beitritt und bei der Sanierung der Industrien; zugleich schweigt der Rest der Welt zu den Massakern in Tschetschenien. Kioto ist für Moskau kalte Berechnung. Auch gut. Dem Klima ist es egal, aus welchen Motiven es geschützt wird.
KOMMENTAR VON BERNHARD PÖTTER
Der internationale Klimaschutz braucht solche Siege der Vernunft, und zwar dringend. Denn nach den wenigen lichten Momenten in der Vergangenheit (Rio, Kioto), sind fast alle Volkswirtschaften wieder in das Steinzeitdenken verfallen, es gebe mehr Wohlstand mit dem alten Entwicklungsmodell der Ressourcenverschleuderung: Der Ausstoß von Treibhausgasen steigt weiter an. Eine vernünftige Politik würde auf Energieeffizienz, regenerative Quellen und Lebensstiländerungen setzen.
Doch was gilt schon die Vernunft? Aus Sicht der USA sind niedrige Energiepreise vorrangig: Die dünnen Holzhäuser und die Abhängigkeit vom Auto lassen wenig Raum für schnelles Umsteuern. Man sollte sich nicht in der Hoffnung wiegen, ein Präsident Kerry würde daran grundsätzlich etwas ändern. Deshalb helfen wissenschaftliche Gutachten auch nicht weiter. Wir wissen zum Klimaproblem genug, um zu handeln. Die USA sind nicht zu überzeugen, sondern höchstens zu zwingen, sich einer global vernünftigen Lösung nicht zu verschließen.
Deshalb ist die Frage: „Was machen wir mit den USA?“, ein Problem der Machtpolitiker. Findet sich eine Koalition der Vernünftigen, die die USA unter Druck setzt? Wenn es um die Absatzmärkte für Stahl geht, traut sich die EU, einen Handelskrieg vom Zaun zu brechen. Warum nicht auch für den ungleich wichtigeren Klimaschutz? Noch definieren die Industriestaaten ihre „vitalen Interessen“ nur über den Zugang zu Rohstoffreserven. Der Klimawandel wird das ändern. Wenn viele Länder ihre vitalen Interessen durch die Klimapolitik der USA verletzt sehen, werden sie Wege suchen, die USA zu zwingen. Denn auch wenn Bush das Gegenteil behauptet: Im Irak, in der Handelspolitik oder bei der Abhängigkeit von Rohstoffen sind die USA keineswegs immer zu Alleingängen fähig. Wer Klimaschutz will, muss hier den Hebel ansetzen. Auch die Russen sind schließlich nicht überzeugt, sondern überredet worden.