piwik no script img

Archiv-Artikel

Kunst ohne Stecker

Eine mäzenatische Tat, ein neues Kunstmuseum. In Baden-Baden wurde am Wochenende die „Sammlung Frieder Burda“ eröffnet – in ihrem neuen Museumsbau von Richard Meier

VON GEORG PATZER

Überall ist Licht. Wohin man sich dreht und wendet, alle Räume, alle Winkel sind lichtdurchflutet, strahlen vor Helligkeit. Überall sind Ausblicke, nach draußen, nach oben und nach unten, Lücken, durch die man spähen kann, die weite Überblicke gestatten: ein neues Museum. Schon von fern glitzert und funkelt es: ein weißer Zwerg mit glänzend heller Fassade.

Der Stararchitekt Richard Meier hat für Frieder Burda ein kleines Haus, fast eine Museumsvilla neben die neoklassizistische Kunsthalle gesetzt. Die Häuser sind mit einer Glasbrücke verbunden und umgeben von alten Bäumen, die jetzt im Herbst grün, gelb und rot durch die vielen Fenster strahlen, als wollten sie auf all die Kunst antworten. Ein wenig unscheinbar von außen, entfaltet es innen einen Reichtum von Plateaus, Stockwerken, Schluchten, Schneisen und Lichteinfällen, mit ineinander verschachtelten Ebenen, mit Verbindungen und Unterbrechungen: eine kleine, verspielte Welt für sich.

Nicht einfach war es, das Museum durchzusetzen. Nach der Vorstellung des ersten Plans gab es einen Aufstand in der Kurstadt, die einen Abriss von alten Bäumen und ein so dominantes Gebäude in der Lichtentaler Allee nicht dulden wollten. Burda diskutierte nicht lang, sondern akzeptierte die Kritik und engagierte Richard Meier, der das Haus in die Umgebung einpasste. Selbst die letzte grüne Stadträtin ist inzwischen überzeugt.

Es ist eine außergewöhnliche Sammlung mit vielen herausragenden Bildern. 1968 begann Burda zu sammeln. Mit dem ersten Bild wollte er seinen Vater provozieren, der den Expressionismus liebte: Burda kaufte ein geschlitztes Bild von Lucio Fontana. Die Provokation ging ins Leere, sein Vater fand das Bild „interessant“. Seither weiß Burda aber auch: „Sammeln kommt von innen heraus. Man kann nie mehr damit aufhören.“ In Amerika entdeckte er Mark Rothko und Jackson Pollack, in Deutschland Gerhard Richter und Sigmar Polke und andere Zeitgenossen.

Das Erstaunlichste an diesem neuen Museum ist: Frieder Burda zahlt alles selbst, den Bau dieses „Juwels aus Licht“ (etwa 20 Millionen Euro) und sämtliche Folgekosten. Die Stadt Baden-Baden und das Land Baden-Württemberg stellten nur das Grundstück in Erbpacht zur Verfügung: Nach 99 Jahren fällt es zurück an den Staat und das Museum. Das ist denn doch etwas anderes als all die Sammler, die ihre Bilder für eine oft ungewisse Zeit einem Museum zur Verfügung stellen, sie durch aufwändige Kataloge und einen wissenschaftlichen Betrieb, für den sie nicht aufkommen, aufwerten lassen. Und wenn’s nicht mehr passt, abziehen und verkaufen.

Burdas Sammlung wuchs über die Jahre, denn tatsächlich konnte er nicht mehr aufhören. Heute besitzt er über 550 oft großformatige Werke. Längst sind die meisten Maler seiner Sammlung arriviert: Richter und Polke, Lüpertz, Baselitz, Rainer, Kiefer. Viele Meisterwerke der Gegenwart sind dabei: Richters sanft leuchtende, schwebend und intensiv glühende „Kerze“, sein „Venedig“, das wohlkalkuliert hackend mit schreiendem Rot, Grün und Gelb die Idylle durchbricht, Baselitz’ mythischer „Hirte“, Rothkos rot und schwarz strahlendes „# 36 (Black Stripe)“. Als Motto der Sammlung empfängt Anselm Kiefers „Böhmen liegt am Meer“ den Besucher im Foyer und macht auf die Freiheit der Kunst aufmerksam. Was ganz fehlt, sind Werke von Joseph Beuys. Dass dieser einst dazu aufrief, Springer zu enteignen, ist für den Verlegersohn wohl ein ausreichender Grund, sich auch nicht mit ihm zu beschäftigen.

Man spürt: Er ist ein Bauchsammler, der vor allem von der künstlerischen Auseinandersetzung mit Farben fasziniert ist, von expressiver Gestaltung, sei sie abstrakt oder figurativ. Seine Sammlung ist streng subjektiv. Die intellektuelle Auseinandersetzung, der große Bogen, Zusammenhänge oder Brüche stehen eher im Hintergrund. Man sieht das auch in der Art, wie Burda und sein Museumsdirektor Klaus Gallwitz die Werke gehängt haben. In einem Raum versuchen sie zwischen Picasso-Bildern aus den 60er- und 70er-Jahren und einigen Werken von de Kooning und Rothko eine Brücke zu schlagen: Es ist etwas sehr unvermittelt. Manche Effekte dagegen sind frech und frisch: In einem großen Saal stürzen von weit oben, von einem Balkon des oberen Stockwerks fast, zwei kopfunter taumelnde Männer von Baselitz herab. Einen Ruheraum ergeben ganz oben die kleinformatigen Bilder von Kirchner, Jawlensky und Macke in einer Nische, brillant und schimmernd, ihnen gegenüber Düsteres von Max Beckmann. Vieles passt schön zusammen, gibt den Bildern den freien Rhythmus, den das ganze Gebäude vorgibt. Gallwitz meinte dazu trocken: „Die Bilder haben sich ihre Plätze gesucht, mehr kann ich dazu nicht sagen.“

Interessant wird die Zusammenarbeit mit der Kunsthalle werden, die für die Eröffnungsausstellung ihr ganzes Haus zur Verfügung stellte. Direktor Matthias Winzen hat in den letzten Jahren viele, auch intellektuell anregende Ausstellungen mit moderner Kunst gemacht und kooperiert schon länger mit Burda. Bisher wurde verabredet, dass beide Häuser eine gemeinsame Ausstellung pro Jahr machen. Als Projekte wurden Themen wie „Richter und die Folgen“ oder „Polke und die Folgen“ öffentlich überlegt. Das sind aber noch vage Gedanken, zu denen sich niemand konkret äußern will.

Burda hört auch heute nicht auf zu sammeln. Auch wenn er, wie er etwas kokett zugibt, „Kunst mit einem Stecker“ nicht versteht: Moderner Kunst, vor allem junger Malerei ist er aufgeschlossen. Im ersten Raum der Kunsthalle, die sich an der Eröffnungsausstellung beteiligt, hängt ein schönes, großes Gemälde von Corinne Wasmuht. Sie hat es dieses Jahr gemalt, und Burda hat gleich zugegriffen.

Sammlung Frieder Burda. Lichtentaler Allee 74, Baden-Baden. Bis zum 20. 2. 2005. Geöffnet Di.–So. 10–18 Uhr, Mi. 10–20 Uhr. Katalog 38 €