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Archiv-Artikel

Thors ganz dezenter Runenchic

Junge Rechte mögen Pullover der Brandenburger Firma Thor Steinar. Denn deren Sachen sind mit Runen verziert, die auch SS und SA verwendet haben. Laut Verfassungsschutz arbeiten Rechtsextreme sogar in der Firma mit, doch die Justiz ist machtlos

„Thor Steinar wird eindeutig für die rechtsextreme Szene produziert“

VON JAN STERNBERG

Billig sind die Sachen nicht. Mindestens 60 Euro müssen Kunden für ein Sweatshirt der Marke „Thor Steinar“ zahlen. Auch die Bestellseite im Internet ist edel aufgemacht. „Thor Steinar“ ist eine Erfolgsgeschichte.

Seit eineinhalb Jahren verkauft die Firma Mediatex aus Zeesen südöstlich von Berlin die Klamotten – besonders unter Jugendlichen. Die bezahlen neben dem Schnitt oft auch für die Gesinnung. Im „Thor Steinar“-Logo sind die germanische Tyr-Rune und die Gibor-Rune oder „Wolfsangel“ miteinander verschlungen. Erste war in der NS-Zeit Abzeichen der SA-Reichsführerschulen, letzte das Symbol für die SS-Division „Das Reich“. Die auf dem globalen Weltmarkt zusammengenähten Sachen sind zur „nationalen“ Haute Couture geworden. „Thor Steinar macht die Szene um eine Facette reicher“, sagt Matthias Adrian vom Zentrum demokratische Kultur in Berlin. „Die Rechten, die sich immer dagegen wehrten, Skins zu sein, können so ihre Gesinnung zeigen.“

Aber auch in normalen Boutiquen sind Steinar-Sachen zu haben. Runen-Symbolik und nordische Mythologie passen zur schleichenden Eroberung der ostdeutschen Jugendkultur durch Rechtsextreme. Man komme an die Kinder viel besser heran, frohlockte ein Mann des „Märkischen Heimatschutzes“ kürzlich im Fernsehen. Der Kundenkreis könnte sich zudem bald erweitern: Seit die britische Marke „Lonsdale“ ihr Image mit antirassistischen Initiativen aufbessert, haben Neonazis deren Klamotten schon mal öffentlich verbrannt. „Thor Steinar“ droht solches nicht, meint Jonas Grutzpalk vom Brandenburger Verfassungsschutz: „Der Firma gehören Rechtsextremisten an.“

Solche Vorwürfe kümmern Mediatex-Geschäftsführer Uwe Meusel wenig: „Wir haben mit keiner Organisation auch nur ansatzweise etwas zu tun.“ Der eloquente 29-Jährige spielt auch die Symbole auf seinen Pullovern als dezenten Runenchic herunter: „Unser Logo? Das ist ein T und ein S, in Runenschrift. Unsere Kollektion basiert auf dem nordischen Mythos.“ Mehr sei da nicht. Und überhaupt: „Warum fragen Sie uns nicht, wie viele Arbeitsplätze wir hier in Brandenburg geschaffen haben?“ Wenn man fragt, sagt Meusel jedoch: „Das werde ich Ihnen jetzt nicht sagen.“ Darüber, dass er auch Sweatshirts mit Maschinengewehr-Aufdruck und Drohsprüchen wie „Hausbesuche“ anbietet, will er schon gar nicht reden.

„Thor Steinar verwendet keine verfassungsfeindlichen Symbole“, sagt Mediatex-Anwalt Michael Roscher knapp, „und wenn Leute, die mit der Verfassung Probleme haben, die Sachen tragen, ist das nicht das Problem der Firma.“ Klaus Parker, Jurist und Rechtsextremismusexperte, sieht das anders: „Im Gegensatz zu Lonsdale, die nichts dafür können, gehört Thor Steinar zu den Marken, die eindeutig für die rechtsextreme Szene produziert werden.“

Die Justiz war bislang machtlos. Noch nie wurde ein verbundenes Signet als Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verboten. Doch nun hat die Staatsanwaltschaft im brandenburgischen Neuruppin einen juristischen Versuchsballon losgelassen. In zwei Fällen wurde Anklage gegen Träger von „Thor Steinar“-Kleidung erhoben. Eine 23-Jährige aus der Nähe von Prenzlau in der brandenburgischen Uckermark bekam kürzlich einen Strafbefehl: 30 Tagessätze à zehn Euro für das Tragen eines „Thor Steinar“-Pullovers. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Das Amtsgericht Prenzlau sah es als erwiesen an, dass das Steinar-Logo „Zeichen nationalsozialistischer Organisationen zum Verwechseln ähnlich sieht“ und dies auch „für Unbeteiligte wahrnehmbar ist“.

Ein Verfahren gegen eine weitere Frau aus Prenzlau soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Gerd Schnittcher, Leitender Oberstaatsanwalt in Neuruppin, hofft auf eine Signalwirkung des Prenzlauer Urteils. Die Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg/Havel ist weiterhin skeptisch. Man könne nicht jede Rune verbieten, dann mache man sich lächerlich.

Wes Geistes Kind die Firmeninhaber vermutlich seien, spiele dabei keine Rolle. Offiziell wird die Prenzlauer Verurteilung „als eine Entscheidung eines einzelnen Amtsrichters“ tief gehängt. Der brauche diese „nicht einmal ausführlich zu begründen“, sagt der stellvertretende Generalstaatsanwalt Ewald Bröhmer. Signalwirkung hätte erst eine Verurteilung vor dem Oberlandesgericht. Doch dass die Entscheidung des Amtsgerichts die rechte Szene verunsichern wird, räumt Bröhmer ein. „Die Sicherheit, dass Trägern dieser Kleidung nichts passieren kann, schwindet jetzt.“