: Hoffmanns Haltungen
taz-Serie „Islam in Berlin“ (Teil 7): Abdul Hadi Christian Hoffmann konvertierte 1989 zum Islam. Der ehemalige CDU-Mann hält Religion für Privatsache. Eine Illusion, wie ein Blick in seine Familiengeschichte zeigt. Auch sonst verknüpft er Religion mit Politik
VON WALTRAUD SCHWAB
Die Heimat von Abdul Hadi Christian Hoffmann sind Menschen. Solche, mit denen er den Alltag teilt, aber auch spirituelle. Sie heißen Amie, „der Mentor“, Allah, Gott. Um in ihrer Nähe zu sein, nimmt der 56-Jährige weite Wege in Kauf. „I am living on an airplane“, sagt er und die Melodie, in die er den Satz hüllt, erinnert an das Original: „I’m leaving on a jetplane“. Er lebt im Flugzeug, er reist nicht nur damit ab. Über den Wolken könne er gut denken, meint er.
Von San Francisco, wo Amie und „der Mentor“ leben, fliegt er nach Dubai. Dort hat er als PR-Consultant derzeit seine Auftraggeber. Von Dubai aber reist er nach Berlin. Im siebten Stock eines Wilmersdorfer Hauses wohnt er. Bücher und Fotografien, Lilien und Hanteln, Computer und Ölgemälde seines Großvaters fallen ins Auge. Der Blick über die Stadt sei es, der ihn an diesen Ort geführt habe, meint Hoffmann. Der Herbstwind rüttelt schwer an den Fenstern. Von Berlin führt sein Weg wieder nach San Francisco. So schließt sich der Kreis.
„Ich könnte in keiner anderen deutschen Stadt leben als Berlin.“ Es sagt es, als gebe es eine Freiheit zu verteidigen, die ständig neu erfunden werden muss. Diese Haltung teilt er mit vielen, die – wie er – in Berlin geboren sind. Eine andere seiner Einstellungen wird nur von wenigen verstanden: Hoffmann ist 1989 zum Islam konvertiert. Warum? Er gibt eine einfache Antwort, die ihn als Textgläubigen ausweist: „Ich bekenne mich zum Islam, weil es in dieser Religion keine Erbsünde gibt.“
Andere Erwiderungen sind auch möglich, wenngleich sie unbequemer sind: Hoffmann sucht das Unangepasste gern am Rand von autoritären Systemen. Er bringt sich in Situationen, wo er Minderheit ist, damit er da, wo er ist, nicht dazugehört und so niemals irgendwo ankommt außer bei Allah oder Gott. Und bei den Menschen, die ihn mit seinen Widersprüche akzeptieren. Der „Mentor“ eben und Amie Hill, seine Lebensgefährtin. Er lernte sie vor 40 Jahren auf einem internationalen Gymnasium in Bonn kennen. Sie war Austauschschülerin. Später: Hippie, Schriftstellerin und Journalistin. Für den legendären Rolling Stone hat sie geschrieben.
Mit „dem Mentor“ dagegen wälzt Hoffmann philosophische Fragen. Manchmal teilen sie auch nur das Schöne in der Sprache. Wie jene Verse von Hafiz: „Warum fragst du den Affen in mir, dass er mit dem Affen in dir spreche, wo doch so viele andere schöne Vögel in mir wohnen … wunderbar farbige Vögel, die sich danach sehen, so voll süßer Hingabe, dich zu grüßen.“ Affen und Vögel – auch solche Spezies, die in der Luft zu Hause sind.
An dieser Stelle muss Hoffmann, trotz aller Poesie, etwas klar stellen: Zum einen findet er, es sei kein Widerspruch, das Unangepasste im autoritären System zu suchen und zum anderen sei der Islam kein autoritäres System. „Ich bin Individualist. Der Islam lässt das zu. In dieser Religion steht niemand zwischen mir und Gott.“ Schwer zu glauben, dass der Religiöse im Verhältnis eins zu eins zu Allah stehen soll, wo doch autoritäre Regime in vielen islamischen Ländern am Beweis des Gegenteils arbeiten. „Ein Land wie Saudi-Arabien instrumentalisiert die Religion. Die meisten muslimischen Länder sind nicht demokratisch, weil sie es aufgrund ihrer Kolonialgeschichte nicht gelernt haben.“ Hoffmann aber gehört einer „Figh“ an, einer islamischen Rechtsschule, die die Muslime verpflichtet, an der Demokratie zu partizipieren. „Figh for Minorities“ heißt sie und hat ihren Ursprung in den USA. „Denn eine bessere Staatsform als die Demokratie, die der größte Garant dafür ist, auch Minderheiten gegenüber Toleranz zu lehren, gibt es nicht.“ Da ist sich Hoffmann sicher.
Auf Hoffmanns Haltungen zu reagieren, die von dem unumstößlichen Dogma gelenkt sind, dass es die göttliche Offenbarung gibt, wird zur Herausforderung. Denn in den religiösen Antworten auf die Gestaltung einer Gemeinschaft findet er trotz allem immer auch die politischen. Wer aber kann für falsche Regeln, die in Gesetze gegossen sind, zur Verantwortung gezogen werden, wenn Gott derjenige ist, der sie gemacht hat? „Auf so eine Frage würde ich nie kommen“, meint er und betont: „Ich bin nicht für Politik im Namen des Islam, sondern ich bin für Gottes Gebote.“ Er ist Anhänger, kein Zweifler. Unruhe stiftet er, weil er nicht von außen, sondern innerhalb seiner Religion verlangt, dass diese Gleichheits- und Freiheitsgedanken akzeptiert. Keine Religionsunterdrückung, keine Frauenunterdrückung, kein Verbot der Meinungsfreiheit, keine autoritäre Staatsform. Hoffmann ist Mitbegründer der „Muslimischen Akademie“ in Berlin, die sich seit Juni 2004 als Forum für die zeitgenössischen islamischen Denker und Denkerinnen anbietet, aber auch den von ihr favorisierten „modernen Islam aus der Minderheitenposition heraus“ publik machen will.
„Minderheitenposition“ – es ist das Wort, das Hoffmann immer wieder in den Mund nimmt. Es hat etwas mit ihm zu tun. Seine Familie lässt sich zurückführen auf einen katholischen Pfarrer, der Luther folgte, heiratete und fortan als evangelischer Pastor wirkte. „Ich stamme von Ansbacher Franken ab.“ Soll heißen: Seine Familie war protestantisch in einem katholischen Umfeld.
Angepasst dem Unangepassten frönen – dies scheint auch sein Großvater getan zu haben. Er war bei der bayerischen Staatsregierung angestellt und beschäftigte sich in seiner Freizeit als Privatgelehrter mit osmanischer Kultur. Hoffmanns Kinderbett stand in seiner Bibliothek in München. Eines seiner liebsten Bilderbücher sei „Meditationes Sinae“ von 1737 gewesen. Er zeigt das Buch – eine auf Lateinisch verfasste Studie des Chinesischen. Als Kind hätten ihn die Schriftzeichen fasziniert. Zumindest in seinem Kunstgeschmack wiederholt sich die kindliche Prägung. Die Grafiken von Blinky Palermo, Baselitz, Dan Flavin, die in seiner Wohnung hängen, erinnern im weiteren Sinne an Schrift.
Seine Eltern passten sich am Rand eines autoritären Systems ebenfalls nicht an: Während der Nazizeit waren sie nicht in der Partei. Kritisch seien sie gewesen, wenn auch nicht aktiv. Sein Vater, der eigentlich Flugzeugbauer war, musste seine Träume vom Fliegen deshalb begraben. „Nennen Sie es Standhaftigkeit, Grundsatzfreudigkeit. Wir sind alle keine Opportunisten.“
Hoffmanns Weg zum Consultant, der unter anderem auch die Expo-Präsentation vieler arabischer Länder mitentwickelt, führt über eine Karriere in der CDU. Er organisiert Wahlkämpfe für die Partei und ist in einer Planungsgruppe von Biedenkopf. Seine Rolle: Die Zukunftsorientierung der CDU formulieren und Antworten auf die neue soziale Frage finden. Unter Kohl seien diese Bestrebungen eingeschlafen. Unter ihm sei es maximale Entwicklung gewesen, den Status quo zu halten. Deshalb macht ihn Heiner Geißler später zum Kunstreferenten in der CDU. Darüber lernt er übrigens auch Andy Warhol kennen, mit dem ihn eine „Coca-Cola-trink-Unterhaltungs-Freundschaft, keine Studio-54-Nacht-durchschwof-Freundschaft“ verbindet. „Andy war altjüngferlich und prüde. Der Rest war Image.“
Als Hoffmann 1989 zum Islam konvertiert, glaubt er, dies sei seine Privatsache. In der CDU aber hält man ihn bald für fehl am Platz. Einer, der zum Islam übertritt, könne nicht für die christlich-demokratische Partei sprechen. Nachdem sein Buch „Zwischen allen Stühlen – ein Deutscher wird Muslim“ 1995 herausgekommen ist, in dem er die Ressentiments thematisiert, trennt er sich von der CDU und legt zwei Jahre später auch seine Mitgliedschaft nieder. „Meine Position als Muslim in Deutschland ist schwieriger als in arabischen Ländern. Da knacke ich dran. Da habe ich viel über Toleranz und Freiheit hier verstehen gelernt.“
Dass er allerdings innerhalb autoritär strukturierter Organisationen weiter nach einem Aktionsfeld sucht, steht für ihn, der zudem auf zehn Jahre klassisches Ballett zurückschauen kann, ebenso außer Frage. Nach der Konvertierung bringt er seine Expertise im Zentralrat der Muslime ein.
Vorgeworfen wird ihm nun, dass er durch seine Arbeit und sein Engagement Kontakte zu den Muslimbrüdern und zu Milli Görüș habe. „Ich schließe nicht aus, dass ich Muslimbrüder kenne, da oft nicht bekannt ist, wer zu ihnen gehört. Die Muslimbrüder entsprechen nicht meiner Philosophie, aber ihre Verteufelung halte ich nicht für gut. Aus meiner Sicht ist es wichtig, mit Leuten zu sprechen, mit deren Meinung ich nicht übereinstimme.“ Dasselbe gelte für Milli Görüș.
Ob er nicht fürchte, von den Hardlinern als liberales Feigenblatt benutzt zu werden? Da wird er ungeduldig: „Ich lasse mich nicht vereinnahmen. Es ärgert mich, dass man sagt, ich missioniere, wenn ich informiere. Und wenn ich meine Auslegung des Islam vortrage, sagt man, ich sei ein Verfechter.“ Zwischen allen Stühlen sitzt Hoffmann. Es ist der Platz, wo er sich auskennt.