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Archiv-Artikel

Elitepalaver

betr.: „ ‚Die Unionsparteien müssten bei den Reformen radikaler sein‘, sagt Paul Nolte. Alle Versuche, die SPD links zu überholen, führen in die Sackgasse“, taz vom 21. 10. 04

Man fragt sich haareraufend, wie dumm Professoren eigentlich sein dürfen, wenn sie wie Paul Nolte im Interview mit Ralph Bollmann zur Verteidigung der CDU-Kopfpauschale von einem Wirtschaftsgut wie Lebensmittel oder Kleidung sprechen. Schließlich bezahle auch jeder das Gleiche für ein T-Shirt oder einen Liter Milch. Jemand, der wahrscheinlich nix weiß vom Sortiment an T-Shirts und Milch, weil er ohnehin alles in bester Qualität geliefert bekommt, ist also Professor für Neuere Geschichte an der Eliteeinbildung International University Bremen und darf sich als Radikalreformer für Schwarz-Grün präsentieren.

Vielleicht ist Aufregung meinerseits fehl am Platze, weil man solche Reformer nur weiter palavern lassen soll, sie schaffen es schon selber, nicht mehr ernst genommen werden zu können. Nur zu, Herr Nolte, und viel Spaß bei einem langen Krankenhausaufenthalt, wenn denn die Kopfpauschale ohne Privatzusicherungsprivileg für Gleichheit sorgt, die Sie aber, wohl wissend um Ihren Status, leider nicht zu befürchten haben. Das macht radikal.

HALINA BENDKOWSKI, Berlin

Als Ordentlicher Professor genießt Nolte das Privileg, sich an allen möglichen Fleischtöpfen bedienen zu können, die der deutsche Sozialstaat für seinesgleichen bereithält. Dass einer, der sozial so abgesichert ist, für schwarz-grüne Koalitionen plädiert, ist nur logisch. Doch wer im Trockenen sitzt, sollte andere nicht über die Vorzüge von Eis und Schnee aufklären. Oder volkstümlicher: Mit vollen Hosen ist gut stinken! UWE TÜNNERMANN, Lemgo

Da bringt es also dieser Jungdynamiker fertig, der Union anzuempfehlen, sie möge seine innere Einstellung in ihr Programm übernehmen. Die Parole, die politische Botschaft soll lauten: „Wir sind für die Kopfpauschale, weil die Leistungen des Gesundheitssystems ein Wirtschaftsgut sind wie Lebensmittel oder Kleidung.“ Und fügt als Beispiel hinzu, dass ein jeder für Milch oder T-Shirt auch das Gleiche zahlt! […]

Nolte weiß offensichtlich nichts von dem berühmt-berüchtigten Dreieck in diesem System. Wie soll so etwas funktionieren, wenn die unbedingten Voraussetzungen für einen Markt überhaupt nicht gegeben sind, nämlich die strikte Trennung von Angebot- und Nachfrageseite. Dieses System kann nicht funktionieren, weil die Hauptanbieter, die Ärzte, die Krankenhäuser nur als Beispiel, Kraft ihrer Stellung, aber auch Kompetenz, gleichzeitig qua Amt die Nachfrage bestimmen. Der Patient, die Nachfrageseite, bleibt außen vor und darf die Kosten tragen!

Wer solche Freunde und Ratgeber hat, egal ob CDU, SPD oder Grüne, braucht allerdings keine Feinde mehr! […]

HORST SCHMIDT, Berlin

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