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Archiv-Artikel

Der Achtungserfolg zahlt sich aus

Der Bundestag muss das Parteiengesetz ändern. Wahrscheinlich kehrt er zur alten Regel zurück

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Kleine Parteien dürfen bei der Verteilung von staatlichen Zuschüssen nicht diskriminiert werden. Dies entschied gestern der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts und stoppte eine Neuregelung des Parteiengesetzes, die eigentlich zum Jahreswechsel in Kraft treten sollte. Erfolg hatte eine Organklage der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) und der Seniorenpartei „Die Grauen“.

Die Parteien erhalten derzeit auf zwei Wegen Geld vom Staat. Für jede Wählerstimme bei einer Bundes-, Europa- oder Landtagswahl gibt es 85 Cent (ab 4 Millionen Stimmen nur noch 70 Cent). Voraussetzung ist, dass die Partei bei der Wahl mindestens 1 Prozent der Stimmen erhielt (bei bundesweiten Wahlen genügen 0,5 Prozent). Außerdem legt der Staat auf jeden Euro, der der Partei gespendet wird oder als Mitgliedsbeitrag zugeht, noch einmal 38 Cent drauf. Auch diesen „Zuwendungsanteil“ bekam eine Partei nur, wenn sie bei einer Landtagswahl über 1 Prozent der Stimmen (oder bei einer bundesweiten Wahl über 0,5 Prozent der Stimmen) erhalten hat.

Bereits vor zwei Jahren wurde eine Neuregelung beschlossen. Sie erhöhte die Hürde für den Zuwendungsanteil des Staates. Statt eines Achtungserfolgs bei nur einer Landtagswahl wurde von den Parteien verlangt, in mindestens drei Landtagswahlen mehr als 1 Prozent der Stimmen zu erreichen. Dieses „Drei-Länder-Quorum“ wurde im Bundestag mit der Gefahr begründet, dass sich kleine Parteien gezielt auf einen Stadtstaat konzentrieren könnten, um sich so mit möglichst wenig Einsatz den Weg zu den Staatszuschüssen zu ebnen.

ÖDP und Graue hielten diese Regelung jedoch für „existenzbedrohend“ und verfassungswidrig. „Die Bundestags-Parteien versuchen, den kleinen Parteien das Lebenslicht auszublasen, indem sie sich deren Staatszuschüsse und letztlich auch deren Wählerstimmen einverleiben“, wetterte der Speyrer Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim als Vertreter der ÖDP bei der mündlichen Verhandlung im Sommer.

Die Klage der Davids hatte nun Erfolg. Gestern stellte der Zweite Senat des Verfassungsgerichts fest, das neue Gesetz verletze die Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb. Der Bundestag muss das Parteiengesetz also wieder ändern. Als wahrscheinlich gilt die Rückkehr zur alten Regelung.

Punkt für Punkt nahm der federführende Richter Hans-Joachim Jentsch gestern die Begründung des Bundestags auseinander und konnte keine Rechtfertigung für die Verschärfung des Parteiengesetzes finden. So verglichen die Richter intensiv die Wahlergebnisse der Parteien in Stadt- und Flächenstaaten und stellten fest: Es gibt keine wesentlichen Unterschiede. In den Stadtstaaten traten nicht mehr Kleinparteien an als sonst und sie hatten in der Regel auch nicht mehr Erfolg. Die ÖDP hat ihr bestes Ergebnis mit 2,0 Prozent sogar im Flächenland Bayern eingefahren, während sie im kleinen Bremen bisher keinen Fuß auf den Boden bekam. Der vom Bundestag vermutete Missbrauch der ungleichen Wahlgebiete war nicht nachzuweisen.

Dagegen sahen die Richter eine verfassungswidrige Beschränkung der „Offenheit des politischen Prozesses“. Die Gründung neuer Parteien dürfe nicht erschwert werden, der Zugang zum „politischen Markt“ müsse offen bleiben, betonte Jentsch. Für die Demokratie sei nicht nur der Wettbewerb der Parlamentsparteien wichtig, sondern auch die Möglichkeit, dass neue Konkurrenten entstehen und Kleinparteien nicht locker lassen. Diese Ausführungen dürfte man insbesondere bei der geplanten linken „Wahlalternative“ gerne gehört haben.

Auch eine besondere „bundespolitische Bedeutung“ könne von den Parteien nicht verlangt werden. Das Grundgesetz gebe den Parteien bei ihrer inhaltlichen Schwerpunktsetzung große Freiheit, erklärten die Richter. Es dürfe deshalb keine finanziellen Sanktionen geben, wenn sich eine Kleinpartei nur auf ein Land konzentriert. Das dürfte die Bayernpartei gefreut haben.

Schließlich machten die Richter klar, dass auch der Kampf gegen extremistische Parteien die Neuregelung nicht rechtfertigt. Solange eine Partei nicht von Karlsruhe für verfassungswidrig erklärt wurde, darf sie nicht finanziell diskriminiert werden. Dies war vor allem auf Bundestagspräsident Wolfgang Thierse gemünzt. Der SPD-Politiker hatte schon mehrfach laut darüber nachgedacht, den rechten Parteien die Staatszuschüsse zu entziehen.

Die ÖDP und Die Grauen, die aus dem Seniorenschutzbund „Graue Panther“ entstanden sind, freuten sich gestern über ihren Erfolg – auch wenn sie durch das neue Gesetz vorerst nicht betroffen waren. Bei den Europawahlen im Sommer hatte die ÖDP 0,6 Prozent der Stimmen erzielt, die Grauen sogar 1,2 Prozent. (Az. 2 BvE 1/02 u. 2/02)

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