: Gesellschaftliche Notwendigkeit
betr.: „Valium für die Sozialdemokraten“ (Ausbildungsplatzabgabe), Kommentar von Andreas Spannbauer, taz vom 7. 11. 03
Betriebe, die nicht ausbilden, verhalten sich in mehrfacher Hinsicht nicht sozial, sondern asozial: sie verschaffen sich einen handfesten Wettbewerbsvorteil (keine oder nur geringe Kosten für Ausbildung) zu Ungunsten ihrer ausbildenden MitbewerberInnen, sie schöpfen den Rahm nach erfolgter Ausbildung ab. Die Ausbildungsabgabe muss direkt an ausbildungswillige Firmen weitergeleitet werden, um dort die Ausbildungskosten zu senken.
Und was die Fähigkeiten der jungen Leute angeht: Es gab immer schon interessierte und weniger interessierte, gute und schlechte SchülerInnen. Im Gegensatz zu meiner Ausbildungszeit (1975–78) stellen sehr viele Betriebe heute viel zu hohe Anfangsansprüche an die Auszubildenden. Viele der zu erlernenden Fertigkeiten und Fähigkeiten werden schon verlangt und erwartet, um sich überhaupt zu bewerben. In unserer schnelllebigen Zeit wird offenbar völlig vergessen, dass auch betriebliche Ausbildung ein Prozess ist, der über Jahre geht und Bemühungen von zwei Seiten braucht. Hier immer wieder einseitig Kritik zu Lasten der Jugendlichen zu wiederholen, ist ungerecht und falsch.
Unter dem Gewinnmaximierungsprinzip ist die Erkenntnis, dass sich junge Menschen in der Entwicklung befinden und deshalb auch Schwankungen der persönlichen Leistungsfähigkeit vorkommen können, gänzlich verloren gegangen. Diese kurzsichtig auf möglichst hohe Rendite schon während der Ausbildung ausgelegte Sicht führt genau zu dem Ergebnis, welches wir seit Jahren beobachten: ständiges lautstarkes Klagen von Industrie, Dienstleistung und Handwerk über zu hohe Kosten der Ausbildung und vermeintliches oder tatsächliches mangelndes Können der Jugendlichen bei gleichzeitig immer weniger echter eigener Ausbildungsbereitschaft münden Jahr für Jahr für tausende Jugendliche in eine völlige Persepektivlosigkeit mit allen damit verbundenen persönlichen, psychischen und finanziellen Problemen. Diese „Ausbildung als Sozialfälle“ kommt für uns alle als Gesellschaft – auch für die Arbeitgeber – viel teurer als jede Art der Ausbildungsplatzabgabe. Deshalb handelt es sich hier nicht um Valium für wen auch immer, sondern um echte gesellschaftliche Notwendigkeit. Schade, dass die taz in diesem Kommentar eindimensional und verkürzt in die bekannten Kerben schlägt!
GABRIELE WENKER, kein SPD-Mitglied, Buchholz
Es sind bedeutend mehr Jugendliche ohne Ausbildungsverhältnis geblieben als die offiziell angegebenen 24.000. Allein hier in Magdeburg hat man hunderte Lehrstellensuchender vorübergehend aus der Statistik manipuliert, indem man ihnen eine auf drei Monate begrenzte ABM „vermittelte“. Alle diese Jugendlichen werden pünktlich am 1. Dezember wieder auf dem Arbeitsamt erscheinen und nach Lehrstellen fragen. […]
MANFRED LEICKEL, Magdeburg