Rangelei vor, Schmeichelei hinter den Kulissen

Bei Volkswagen und General Motors ringen alle Seiten um die besten Aussichten. Auch die Politik macht mit

STOCKHOLM/WOLFSBURG taz/ap ■ Pausen gibt es nicht, auch zwischen den Verhandlungsrunden wird in der Automobilbranche konzeptioniert, umworben und gekungelt. So haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer gestern vor der heutigen fünften und letzten Verhandlungsrunde bei Volkswagen noch einmal die Muskeln spielen lassen. In die Auseinandersetzungen um die europäischen Töchter von General Motors hat sich die schwedische Regierung eingeschaltet: Sie will heute in der GM-Europa-Zentrale in Zürich vorstellig werden. Als kleines Gastgeschenk hat Ministerpräsident Göran Persson eine Liste von Annehmlichkeiten dabei, die GM motivieren sollen, lieber auf den schwedischen Saab als etwa auf den deutschen Opel zu setzen.

Bei VW geht es ums Ganze: Scheitert auch diese Verhandlungsrunde, ist es vorbei mit der Friedenspflicht. Und dass sie sich nicht von einem Arbeitskampf abhalten lassen werden, demonstrierten laut Betriebsrat mehr als 30.000 Beschäftigte in Wolfsburg und weitere 6.000 im Werk Baunatal bei Kassel mit zweieinhalbstündigen Arbeitsniederlegungen. VW-Personalvorstand Peter Hartz hatte in der FAZ damit gedroht, dass „unser Beschäftigungsvolumen in Deutschland in den nächsten Jahren dramatisch schrumpfen“ werde, wenn das Kostenkonzept des Managements nicht durchgehe. VW will die so genannten Arbeitskosten bis 2011 um 30 Prozent, also rund 2 Milliarden Euro senken. Die Gewerkschaft IG Metall fordert für die Beschäftigten eine Jobgarantie und 2 Prozent mehr Lohn.

Auch bei GM geht es weiterhin um Kostensenkung. Und die Regierung in Stockholm will es dem Konzern bei Saab-Trollhättan leicht machen. Sie hat sich mit den Grünen und den Linkssozialisten auf ein „Stützpaket“ geeinigt, das Persson heute persönlich in Zürich vortragen will.

Für Schweden geht es nicht nur um die 6.000 Arbeitsplätze, die in der kleinen Stadt akut bedroht sind, sondern auch um zehntausende Beschäftigte in der Zulieferindustrie. Die Branche beschäftigt fast 200.000 Menschen, die Autoindustrie trägt 15 Prozent zum Export bei, ist also wichtiger als Forstwirtschaft und Telekommunikation. Saab bildet mit Volvo die Basis für ein Cluster von Zulieferern. Würde Saab verschwinden, hätte dies Auswirkungen auf Volvo.

Wie genau die angebotene Staatshilfe aussieht, blieb gestern noch geheim. Offensichtlich will man trotz aller offizieller Versicherungen, sich von GM nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, Rüsselsheim und Berlin im Unklaren lassen, womit man die Amerikaner zu locken gedenkt. Und Persson scheint sich auch die Möglichkeit offen halten zu wollen, später noch nachzubessern. Klar dürfte aber sein, dass es um staatliche Infrastrukturmaßnahmen wie den Anschluss Trollhättans an das Autobahnnetz und einen Ausbau der Bahnverbindung sowie um mehr Forschungsförderung geht. Als weiterer Teil des Stützpakets werden „arbeitsrechtliche Fragen“ genannt. Saab-Chef Peter Augustsson hatte ausdrücklich flexiblere Arbeitszeiten und eine Entlastung bei den Kosten für Krankschreibungen angemahnt.

REINHARD WOLFF