: Im Dschungel der Fondskultur
Für unbekannte Künstler wird es schwerer, an Geld zu kommen: Um ihre gekürzten Etats aufzustocken, bewerben sich auch große Institutionen zunehmend bei Fonds
Die Kunstszene in Berlin ächzt unter den Kürzungen im Kulturbereich. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahren bundesweit immer mehr Fonds und Stiftungen gegründet. Was das für die Künstler bedeutet, darüber waren die Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Bildende Kunst im Dschungel der Fondförderung“, die am Mittwochabend im Hamburger Bahnhof stattfand, geteilter Meinung.
Elfriede Müller vom Berufsverband bildender Künstler Berlins, wählte drastische Worte, um die Situation deutlich zu machen. Die um sich greifende Fondskultur bedeute nicht nur, dass sich der Sozialstaat aus seiner Verantwortung für die Kunst stehle, sondern stelle auch einen Paradigmenwechsel dar: Weg von der staatlichen, Akzente setzenden Kulturpolitik, hin zu einem neoliberalen Fondswesen, bei dem die Künstler untereinander in Konkurrenz treten müssten. Dazu komme, dass sie sich bei derselben Stelle bewerben, bei der auch große Institutionen ihre gekürzten Etats durch Fördergelder aufzustocken versuchen. „Das ist dann so, als würde sich ein Formel-1-Rennfahrer mit einem Radfahrer messen“, so Müller.
Gerade in Berlin würden die Fonds damit immer mehr zum Retter in der Not. Der Hauptstadtkulturfonds beispielsweise muss in diesem Jahr 402 Projektanträge bearbeiten. So viele wie noch nie – im letzten waren es rund 200. Mehr Geld für die Kunst, forderte deswegen Bethanien-Chef Christoph Tannert. Es müsse eine Art übergeordnetes Bundeskuratorium geben, das nicht nur Gelder verteile, sondern mit Vorgaben wirkliche Kulturpolitik betreibe. Dem widersprachen Adrienne Goehler vom Hauptstadtkulturfonds und Dietger Pforte von der Stiftung Kulturfonds. Man wolle schließlich das fördern, was in den Köpfen der Künstler sei – und überhaupt sei der Ruf nach mehr Geld nicht die einzige Lösung. Im Vergleich zu anderen Kunst-Metropolen wie Paris, New York oder London sei die Situation in Berlin gar nicht so schlecht. Immerhin gibt es in keiner anderen Stadt so viele billige Wohn- und Arbeitsräume wie in Berlin.
Laut Elfriede Müller zeigt das Beispiel London, was passiert, wenn sich der Staat immer mehr aus der künstlerischen Förderung zurückzieht. Private Förderer und Initiativen seien für die junge britische Kunst überlebenswichtig geworden. Dass das nicht immer schlecht sein muss, zeigt allerdings das erfolgreiche Beispiel der Saatchi-Galerie, die unter anderem Damien Hirst zu seinem Durchbruch verhalf. Für viele andere Künstler ist es hingegen sehr schwierig geworden, in der britischen Wirtschafts- und Finanzmetropole unabhängig zu arbeiten. Eine Situation, die für Berlin wohl noch in weiter Ferne liegt – insofern können sich hiesige Künstler ihre Probleme wenigstens noch schönreden. SANDRA LÖHR