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Archiv-Artikel

Die Verhandlungskoalition

Ich gebe dir den Meisterzwang, du gibst mir die Hartz-Reform – Rot-Grün und Union verhandeln mittlerweile über alle großen Reformgesetze für 2004. Nur der Subventionsabbau ist sicher

„Der bisher geplante Abbau von Subventionen reicht bei weitem nicht aus“

aus Berlin HANNES KOCH

Rot-Grün hat eine erste Niederlage bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss zu tragen. Anders als ursprünglich beabsichtigt, wird mit den Unionsländern nun doch über verschiedene Gesetze geredet, denen der Bundesrat eigentlich gar nicht zustimmen muss. Die Unionsmehrheit im Bundesrat hatte es so gewollt. Das bedeutet zum Beispiel: Die von Rot-Grün geplante Abschaffung der Pflicht zum Meisterbrief in dutzenden von Berufen wird so nicht kommen.

Gestern und vorgestern tagten zum ersten Mal die beiden Verhandlungsgruppen, die das große Gesetzespaket für 2004 packen. Nachdem der Bundestag es mit rot-grüner Mehrheit beschlossen hatte, lehnte es der unionsdominierte Bundesrat ab. Nun muss der Vermittlungsausschuss einen umfangreichen Kompromiss finden.

Um zusätzliche Jobs im Handwerk zu schaffen, will Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Handwerksordnung umkrempeln. Zum Beispiel Büchsenmacher, Schneider und Mosaikleger sollen in Zukunft keinen Meisterbrief mehr benötigen, um einen eigenen Betrieb zu eröffnen. Die Union geht diese Deregulierung zu weit. Sie hält es mit dem Bundesverband des Deutschen Handwerks, der seine Privilegien gern aufrechterhalten möchte.

Weil die Union mit einer Blockade droht, darf sie auch über andere Vorhaben mit verhandeln, die nicht in die Kompetenz des Bundesrats fallen. Dazu gehören sowohl die Umgestaltung der Bundesanstalt für Arbeit in eine so genannte Agentur, als auch die Lockerung des Kündigungsschutzes für Beschäftigte in kleinen Betrieben.

Auch in der zweiten Arbeitsgruppe, die sich mit den Finanzen beschäftigt, ist die Lage unübersichtlich bis schwierig. Wer muss welche Opfer bringen? Ein Szenario sieht so aus: Rot-Grün willigt ein, die Tabaksteuer weniger stark zu erhöhen als geplant. Raucher müssten dann nicht 1,5 Cent pro Kippe mehr bezahlen. Dafür stimmt die Union der „Brücke zur Steuerehrlichkeit“ zu, mit der Rot-Grün Fluchtkapital aus dem Ausland zurückholen will.

Ein anderes mögliches Geschäft: Wie es Teile der Union verlangen, wird die krisengeschüttelte Versicherungsbranche steuerlich entlastet. Im Gegenzug könnte Rot-Grün eine Art Mindeststeuer bekommen, damit gerade große Unternehmen ihre Gewinne nicht mehr beliebig auf null rechnen und damit Steuern sparen können.

Einer der zahlreichen Kompromisse scheint aber schon heute festzustehen. Der Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen wird größer ausfallen, als in dem Konzept der Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen, CDU) und Peer Steinbrück (NRW, SPD) entworfen. „Das reicht bei weitem nicht aus“, sagt ein Mitarbeiter der CDU-Bundestagsfraktion. Denn viel Geld wird noch gebraucht – zum Beispiel, um die von der Union geforderte „solide“ Finanzierung der rot-grünen Steuersenkung zu bewerkstelligen. Am Donnerstag und Freitag kommender Woche wird weiterverhandelt.