piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Bewerbung ist kein Blind Date

Wer zu spät kommt, kann gleich wieder gehen: Mit der richtigen Vorbereitung können Anfängerfehler kurz vor dem Ziel vermieden werden. Gute Kandidaten kennen sowohl sich selbst als auch die Bedürfnisse des Arbeitgebers in spe

VON LARS KLAASSEN

Wer nach der Bewerbung um einen Job zum Gespräch eingeladen wird, hat schon mal eine hohe Hürde genommen: Jetzt geht es mit einer deutlich kleineren Kandidatenauswahl in den Endspurt. Nach dem ersten Kennenlernen erwartet die Bewerber manchmal auch ein „Assessmentcenter“. Dabei müssen sie in verschiedenen Übungen ihre Fähigkeiten beweisen. Aber was ist gefordert?

„Was mein Gegenüber im Bewerbungsgespräch genau erwartet, kann ich nicht wissen, denn da spielen immer auch persönliche Aspekte mit hinein“, sagt die Berliner Karriereberaterin Brigitte Scheidt, die Menschen bei der beruflichen Neu- und Umorientierung unterstützt (www.brigittescheidt.de). „Ganz entscheidend ist, sich selbst gut zu kennen.“ Was kann ich? Was brauche ich, um mich im Job zu entfalten? Nur wer solche Fragen beantworten kann, ist auskunft- und entscheidungsfähig.

Tückisch ist es, in erster Linie gefallen zu wollen. Bewerber, die sich ein Bild davon machen, was vermeintlich gewünscht wird, liegen oft daneben. Außerdem: „Wenn ein Gesprächspartner nicht authentisch ist, fällt das in der Regel auf“, warnt Scheidt. Wer sich verstellt und den Job bekommt, hat später ein Problem. Außer Schauspielern möchte wohl niemand über Jahre am Arbeitsplatz in eine aufgesetzte Rolle schlüpfen müssen. Die Unternehmenskultur sollte schon zur eigenen Person passen. „Bei einer Bewerbung kann man vieles richtig machen, aber man kann es anderen nicht wirklich recht machen“, sagt die Diplompsychologin.

„Bewerber, die sich der eigenen Stärken und vor allem auch ihrer Schwächen bewusst sind, strahlen dadurch in Bewerbergesprächen die notwendige Souveränität aus“, sagt Eva Müller-Dannecker, Leiterin der Personalentwicklung des Vivantes-Netzwerks für Gesundheit, des mit 13.150 Angestellten drittgrößten Arbeitgebers Berlins. Wer weiß, was im künftigen Job gefordert ist, kann sich schon im Vorfeld überlegen: Was davon kann ich gut, was passt weniger zu mir? Auch mit der Aufforderung, den eigenen Werdegang und das Motiv für die Bewerbung darzustellen, sollte gerechnet werden. „Die persönliche Beschreibung im Gespräch und die subjektive Darstellung bieten mehr Einblicke, als auf den eingereichten Lebenslauf zu verweisen“, so Müller-Dannecker. „Wichtig ist, die Professionalität überzeugend zur Geltung zu bringen.“

Das Einholen von ausführlichen Informationen ist Pflicht: „Von Bewerbern kann erwartet werden, dass sie über Größe, Struktur und Angebotspalette eines Unternehmens im Groben Bescheid wissen“, betont Müller-Dannecker. „Positiv fällt zudem auf, wenn sich der Bewerber die Namen der Anwesenden merkt.“ Ziel eines Gesprächs sei es, eine Beziehungsebene aufzubauen. Die Art des Händedrucks und die Suche des direkten Blickkontaktes können Offenheit für die andere Seite signalisieren. Eigene Fragen zeigen: Da hat jemand Interesse und eigene Vorstellungen. Beide Seiten sondieren, ob sie zueinanderpassen. „Passt es nicht, so ist es für beide Seiten besser“, wenn die Bewerbung scheitert, „und nicht unbedingt eine Niederlage des Bewerbers“, so Müller-Dannecker.

„Heimvorteile“ nutzen!

Vor groben Fehlern sei jedoch gewarnt: Pünktlichkeit ist ein Muss! „Der Bus kam zu spät“ oder „Ich stand im Stau“ zählen nicht. Kommt wirklich etwas Unvorhersehbares dazwischen, ist ein zeitiger Anruf angesagt. Wer einen früheren Arbeitgeber schlechtmacht, schürt Misstrauen. Da fragen sich die Gesprächspartner: „Wie wird diese Person später mal über uns reden?“ Bewerbungen im eigenen Unternehmen, warnt Müller-Dannecker, würden häufig zu lax angegangen. Sie sollten aber genauso ernst genommen werden wie eine herkömmliche Bewerbung. So lässt sich der „Heimvorteil“ durch bessere Recherchemöglichkeiten nutzen. Jene, die Angst haben, sich mit einer gescheiterten Bewerbung im eigenen Unternehmen zu blamieren, kann Müller-Dannecker beruhigen: „Personaler haben eine hochgradige Schweigepflicht.“

Doch was ist überhaupt gefordert? „Generell kann zwischen drei Bereichen in der Berufswelt unterschieden werden“, erläutert Susanne G. Rausch, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung e. V. (www.dgfk.org) und Beraterin für strategische Personalführung und Karrieremanagement: „Führungspositionen, Expertenjobs und Sachbearbeitung.“ Im ersten Fall steht die Persönlichkeit im Vordergrund. Selbstsicheres, überzeugendes Auftreten ist angesagt – aber ohne Überheblichkeit. Werden Experten gesucht, wird die fachliche Kompetenz andere Aspekte dominieren. Termintreue, Sorgfalt und Detailtreue wiederum sind auf der Ebene der Sachbearbeitung gefragt. Wer mit internen und externen Kunden zu tun bekommt, sollte in jedem Fall durch Kommunikationskompetenz, Flexibilität und Belastbarkeit überzeugen. Große Unternehmen nutzen über das obligate Vorstellungsgespräch hinaus regelmäßig das Assessmentcenter, um sich ein Bild von den Bewerbern zu machen.

Dieses kosten- und zeitaufwendige Auswahlverfahren wird in der Regel nur bei Stellenbesetzungen mit Hochschulabsolventen oder mit Führungsverantwortung eingesetzt. Es dauert ein bis drei Tage und kann auch mehrstufig eingesetzt werden. Die Kandidaten können einzeln oder als Gruppe mit unterschiedlichen Aufgaben betreut werden. Dabei wird unter anderem Arbeitsalltag simuliert: Der Bewerber erhält zum Beispiel einen gefüllten Postkorb, der fiktive Schriftstücke aus dem Akteneingang des betreffenden Unternehmens enthält. Die einzelnen Vorgänge müssen dann von dem Kandidaten innerhalb einer vorgegebenen Zeit abgearbeitet werden. Für jeden Vorgang ist eine Entscheidung zu treffen, wie etwa „sofort erledigen“, „zurückstellen“, „weitere Informationen einholen“, „delegieren“ oder „ignorieren“. Maßgeblich sind dabei Wichtigkeit und Dringlichkeit, die Verfügbarkeit von Personal- und Sachressourcen, die Kollisionen mit anderen im Postkorb enthaltenen Aufgaben.

In Gruppenarbeiten wiederum gilt es, eine Gratwanderung zu bestehen: Auf der einen Seite ist gefordert, sich teamfähig zu zeigen und sich in die Gruppe einzubringen. Andererseits muss dabei die eigene Person sichtbar bleiben – Führungsqualitäten sollten gezeigt werden.

Manche der Aufgaben eines Assessmentcenters können auch unlösbar sein. Dann zeigt sich, wie stressresistent die Kandidaten sind. Auch hier gilt, wie schon beim Bewerbungsgespräch: Wer sich selbst gut kennt und authentisch bleibt, hat gute Karten. Vorausgesetzt, die nötigen fachlichen Fähigkeiten sind auch vorhanden. Ob es in dieser Hinsicht passt, kann jeder einschätzen, der nicht nur sich selber kennt, sondern sich auch über die Bedürfnisse des Arbeitgebers informiert hat.