Unterrichte oder stirb
Hamburgs 256 neue Referendare sollen ab Februar zwölf Stunden pro Woche vor der Klasse stehen. Schulsenatorin lauschte lieber nicht der Kritik
An Grundschulen könnten Referendare gar als Klassenlehrer eingesetzt werden
Von Kaija Kutter
Der Bildungsbehörde war es diesmal nicht die übliche Vorabmeldung wert, nur auf der Homepage des Landesinstituts für Lehrerbildung fand sich eine kleine Notiz. Gestern früh um neun Uhr wurden in der Instituts-Aula die neuen Referendare begrüßt. 256 Nachwuchslehrer treten die letzte Phase ihrer Ausbildung an, unter arg verschärften Bedingungen.
Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) sprach knapp 20 Minuten über den „Sonnenschein“ des Referendariats und die Verschuldung des Staates. Die mache es nun mal nötig, dass Hamburgs Referendare mehr Unterricht leisten, wodurch sie aber auch Gelegenheit hätten, mehr Erfahrungen zu sammeln – und entschwand.
Was Referendarsvertreter Lambert Schulze „sehr schade“ fand: „Sie wollte wohl nicht hören, was wir ihr zu sagen haben.“ An der Stelle, wo Dinges-Dierig die Mehrarbeit „pädagogisch“ begründete, hätten die Referendariatsvertreter gelacht. „Nur die Neuen nicht. Die wissen ja nicht, was auf sie zukommt.“
Schlicht „unmöglich und kaum zu schaffen“ sei das Arbeitspensum, das die Bildungsbehörde verordnet, um 42 Stellen einzusparen. Die Newcommer werden erstmals nicht zum August, sondern erst zum November eingestellt, damit sie nach dreimonatiger Vorbereitung pünktlich zum Start des zweiten Schulhalbjahrs am 1. Februar ins kalte Wasser geworfen werden können.
Zwölf Stunden wöchentlich sollen sie ab dann ein Jahr lang für knapp 1.000 Euro leisten wie ausgebildete Lehrer und, wenn‘s der Stundenplan erfordert, gar an zwei oder drei Standorten. Doch hinzu, so Schulze, kämen ja noch bis zu fünf Stunden angeleiteter Unterricht, Seminarzeiten, Lehrertraining, obligatorische Fortbildungen und die „anfangs äußerst zeitaufwendige“ Vorbereitung des Unterrichts. Es sei an Grundschulen gar möglich, dass einzelne gleich Klassenlehrer würden.
Eigenverantwortlicher Unterricht von Referendaren wurde Mitte der 90er Jahre eingeführt, unter heftigem Protest und zunächst nur für viereinhalb Wochenstunden. Doch schon bald wurden daraus sechs Stunden. Und als schließlich der Senat 2002 die bezahlte Ausbildungsphase auf anderhalb Jahre verkürzte, wurden daraus neun. „Schon die sind kaum zu schaffen“, sagt Schulze, der selbst im Referendariat für die Fächer Englisch, Politik und Geschichte ist.
Die in der Bildungsbehörde für Referendare zuständige Ansprechpartnerin Maren Knebel-Pasinksi betont hingegen in einem Schreiben, dass die neue Ausbildung Vorteile bringe. So würden jeder Lehrkraft zwei Stunden für die Anleitung eines Referendars gutgeschreiben. Auch sei die Zahl der Seminarstunden verringert worden zu Gunsten einer „stärker modularisierten und individualisierten“ Betreuung. Und schließlich könnten die Referendare ein Stück weit „selbst bestimmt“ lernen. „Es wird viel verlangt“, schreibt Knebel-Pasinki, doch zeige die um 25 Prozent auf 1.476 gestiegene Bewerberzahl, dass viele „gern bereit sind, sich diesen Anforderungen zu stellen“.
„Das ist zynisch“, findet Schulze. In Schleswig-Holstein gebe es neuerdings eine ebenso hohe Unterrichtsverpflichtung ohne stützende Seminare. „Wenn die Bewerbungen in Hamburg steigen, dann nur, weil es im Nachbarland noch schlimmer ist.“