: „Alles geht schneller“
Gespräch mit Christoph Daum, Trainer von Fenerbahce Istanbul, über die Champions League, wo morgen ein Sieg gegen Olympique Lyon her muss, über den neuen Bundestrainer und über die CSU, die seinem Türkentum im Wege steht
INTERVIEW TOBIAS SCHÄCHTER
taz: Herr Daum, in der türkischen Liga ist Ihr Team trotz des 1:2 am Wochenende im Stadtderby gegen Besiktas Tabellenführer, aber drei Punkte nach drei Spielen in der Champions League sind wenig.
Christoph Daum: Keine Frage, das ist enttäuschend.
Nach dem 2:6 in Manchester und vor allem dem 1:3 gegen Lyon gab es von der türkischen Presse sehr harte Kritik an Ihrer Taktik und Ihrer Aufstellung. Wie gehen Sie damit um?
Gar nicht, ich ignoriere sie.
Sie ignorieren die Presseberichte?
Warum soll ich mich verteidigen, wenn mich jemand, der überhaupt keinen Einblick hat, mit irgendwelchen frei erfundenen Dingen angreift? Ich bin nur meinem Präsidenten Rechenschaft schuldig und natürlich durch gute Leistung den Fans, aber nicht irgendwelchen Journalisten, die irgendetwas behaupten.
Die sitzen Ihnen aber bei jeder Pressekonferenz gegenüber. Wie ist das Verhältnis?
Ich versuche eine gewisse Gleichbehandlung aller Journalisten an den Tag zu legen. Die wird auch von den meisten akzeptiert. Nachteilig ist es, dass ich keine Homestorys mache über persönliche Dinge.
Es gibt täglich Geschichten über Fenerbahce und Christoph Daum.
Ich bleibe bei dem Spruch: In den Märchen aus 1001 Nacht steckt mehr Wahrheit als in manchen türkischen Presseberichten.
Woran liegt es, dass der türkische Meister international so hinterherhinkt?
Wir haben eine zu hohe Fehlpassquote, alles geht in der Champions League eben schneller. Zu oft müssen wir uns den Ball zurückerobern, dabei verbrauchen wir Kraft und Konzentration. Das Lehrgeld, das wir bezahlen müssen, von dem ich auch vor dem Wettbewerb gesprochen habe, von dem will hier niemand was wissen. Die meinen, man muss einfach gegen Lyon gewinnen.
Sie haben aber auch gesagt, 2007 können wir die Champions League gewinnen.
Ich habe gesagt, 2007 können wir das Finale der Champions League anstreben. Dass dies Wunschdenken ist, will ich gar nicht bestreiten. Aber so ein Ziel kann auch der Anstoß sein, gewisse Dinge zu verändern und Begeisterung zu entfachen. 2007 ist das 100-jährige Jubiläum von Fenerbahce – und da wäre es doch eine Riesensache, wenn man international vorne mitmischen würde.
Haben Sie durch diese Aussagen nicht die heftigen Reaktionen hervorgerufen?
Es stimmt: Die Enttäuschung hier schlägt sehr hoch aus, über die Stränge hinweg. Aber nach zwei Tagen ist das dann auch wieder abgekühlt, und nach drei, vier Tagen sind auch wieder Zuspruch und Unterstützung zu spüren.
Ist eine mögliche Erklärung für das bisher schwache Abschneiden nicht die: Die türkische Liga hat ein zu großes Leistungsgefälle?
Wir werden schon gefordert. Die Ergebnisse sind oft knapp. Wir haben inzwischen zehn, zwölf Mannschaften, gegen die man an die Leistungsgrenze gehen muss. Aber es ist dennoch etwas völlig anderes, gegen die absolut besten Mannschaften Europas zu spielen. Fragen Sie doch mal Bayern München, wie die gegen Lyon gespielt haben letzte Saison.
Im deutschen Fußball und beim DFB tut sich einiges. Wie sehen Sie die Entwicklung unter dem neuen Bundestrainer Jürgen Klinsmann?
Ich sehe, dass da ein paar dringende Reformen direkt um die Nationalmannschaft eingeleitet worden sind, die positiv in die Zukunft weisen. Wie mutig Jürgen Klinsmann auftritt, das kommt authentisch rüber. Man sieht das Feuer, das sich auch auf die Mannschaft überträgt – und dadurch werden neue Kräfte freigesetzt. Klinsmann war genau die richtige Entscheidung im Hinblick auf 2006, auch was das Bild des DFB außerhalb Deutschlands anbelangt. Das kriege ich ja hier viel besser mit.
Wird auch die Türkei 2006 dabei sein?
Wenn wir die Ukraine schlagen, haben wir sehr gute Karten.
Sie sagen „wir“: Mit dem neuen Nationaltrainer Ersun Yanal scheinen Sie sich aber nicht so gut zu verstehen.
Das ist eine ganz komische Geschichte. Ich hatte zu allen türkischen Nationaltrainern einen sehr guten Kontakt. Fatih Terim war beim Training und hat sogar mit uns Kaffee getrunken. Doch seit der Inthronisierung Yanals gibt es diesen Kontakt nicht mehr.
Warum?
Ersun Yanal hat über meinen Dolmetscher einen Termin ausgemacht, den haben wir bestätigt, aber dann haben wir Yanal nicht mehr erreicht. Aber aus meiner Sicht ist das nichts Dramatisches. Wir stellen einen Großteil der türkischen Nationalmannschaft, ich arbeite ihr zu. Ob ich jetzt Herrn Yanal schon zum Kaffee getroffen habe oder nicht, ändert nichts an meiner Unterstützung der Nationalmannschaft.
Sie sind als Befürworter des EU-Beitritts der Türkei bekannt. Ist noch etwas dran an Ihrer Idee, die türkische Staatsangehörigkeit annehmen zu wollen?
Im Rahmen der Diskussion damals hat sich sofort jemand von der CSU zu Wort gemeldet und gesagt, wenn ich die türkische Staatsbürgerschaft annehmen wolle, müsse ich die deutsche sofort zurückgeben. Das möchte ich natürlich nicht. Das Ganze war ja nur als Geste der Türkei gegenüber gedacht. So wie es sich im Augenblick aber darstellt, ist es von politischen Kreisen aus der CSU heraus unmöglich gemacht, dass ich noch zusätzlich die türkische Staatsbürgerschaft annehme. Dann lass ich das halt sein, weil: Das ist mir die ganze Sache dann nicht wert.