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Archiv-Artikel

Die Schulden bleiben

Egal wer gewinnt: Argentiniens Beziehungen zu den USA sind konfliktbeladen

BUENOS AIRES taz ■ Nik, der Karikaturist der argentinischen Tageszeitung La Nación, brachte die Erwartungen Argentiniens für die US-Präsidentschaftswahlen auf seine Weise zum Ausdruck. In ein Foto, auf dem der Demokrat John Kerry während einer Rede Daumen und Zeigefinger sehr nahe aneinander legt, hat Nik eine Sprechblase montiert: „Kerry und Bush beendeten Wahlkampf und brachten zum Ausdruck, wie wichtig Argentinien für ihre großen Entscheidungen sein wird.“ Minimal, Interesse gleich null.

Auch im Präsidentenpalast Casa Rosada schaut man mit gemischten Gefühlen gen Norden. Politisch liegen Welten zwischen Argentiniens Präsident Néstor Kirchner und US-Präsident George W. Bush. Mit Kerry hingegen könnte der Peronist Kirchner sicherlich gemeinsame Positionen herausarbeiten. „Der Peronismus“, so sagte Argentiniens Kulturstaatssekretär Torcuato Di Tella erst kürzlich, „wird der Demokratischen Partei der USA immer ähnlicher.“ Und damit ist eigentlich fast alles gesagt, was die argentinische Regierung zu den Präsidentschaftswahlen in den USA sagen kann.

Mit Kirchner kam eine Wende in die argentinische Außenpolitik. Waren die Beziehungen zu den USA während der 1990er-Jahre noch vom „peripheren Realismus“ geprägt, in dem sich Argentinien als schwaches Land der Supermacht bedingungslos unterordnete, so geht Kirchner dieser Tage auf Distanz zu den USA. Ungefragt verurteilte Kirchner Angriff der USA auf den Irak, noch vor über zehn Jahren sandte der damalige Präsident Carlos Menem eine argentinische Fregatte an den Golf, um die USA beim Waffengang gegen Saddam Hussein zu unterstützen. Die von den USA vorangetriebene panamerikanische Freihandelszone will Kirchner am liebsten verhindern, und erst vergangenen Freitag verurteilte Argentinien in der UN-Vollversammlung das US-Handelsembargo gegen Kuba.

Die Beziehungen zwischen Kirchner und Bush sind konfliktgeladen. Hauptstreitpunkt sind die argentinischen Auslandsschulden, die das Land seit Anfang 2002 nicht mehr bedient. Die stellvertretende Direktorin des Internationalen Währungsfonds, die US-Amerikanerin Anne Krueger, wird nicht müde, Ellbogenrempler und Schienbeintritte gegen Kichner und seine Regierung zu verteilen. Aus Buenos Aires bekommt die konservative Ökonomin dafür zu hören, sie sei „die Taliban vom IWF“. Andererseits war es immer auch die Stimme der US-Regierung im Direktorium des IWF, mit der auch umstrittene Abkommen zwischen dem Fonds und Argentinien durchgewunken wurden.

So ist nicht zu erwarten, dass ein Personalwechsel im Weißen Haus an den Beziehungen Argentinien–USA etwas Grundlegendes verändern würde. Vielleicht würde sich Kirchner mit Kerry einfach nur besser verstehen. Der eine als Demokrat und der andere als Peronist. Und vielleicht könnte Kirchner dann noch mal seinen Spruch bringen, den er schon bei Bush angebracht hat, als er ihm sagte: „Ich bin kein Linker, bin Peronist, das ist etwas anderes.“ Ob Bush beruhigt war, ist nicht überliefert.

INGO MALCHER