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Archiv-Artikel

Sozialismus ist nur ein Wort

Beim SPD-Parteitag in Bochum streichelt Gerhard Schröder ein wenig die sozialdemokratische Seele und bekennt sich zum „demokratischen Sozialismus“, beharrt aber auf der Agenda 2010

BOCHUM taz ■ Mit einem Bekenntnis zum „demokratischen Sozialismus“ hat Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern auf dem SPD-Parteitag in Bochum versucht, die eigene Basis mit der umstrittenen Reformpolitik der Regierung zu versöhnen. Er wolle, „dass jeder nach seinen Fähigkeiten leben kann und in seinen Möglichkeiten unterstützt wird“, sagte Schröder. „Das ist soziale Demokratie oder wie wir es in unserem Berliner Programm nennen: demokratischer Sozialismus.“ Er fügte jedoch hinzu: „Der Streit um Begriffe allein bringt uns nicht weiter.“

Schröder bezog sich damit auf die Debatte über die Streichung des Begriffs aus dem Parteiprogramm, die Generalsekretär Olaf Scholz im Sommer ausgelöst hatte. Für die anstehende Wiederwahl griff Schröder seinem Adlatus jedoch unter die Arme. Es sei „vorbildlich“, wie Scholz gemeinsam mit Fraktionschef Müntefering den jüngsten „Lern-, aber auch Diskussionsprozess vollzogen und organisiert“ hätten. „Ausdrücklich“ lobte Schröder auch seinen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement für dessen Einsatz bei der Senkung der Arbeitskosten.

Bei der Wahl des Parteivorsitzenden votierten für Schröder 409 Delegierte, mit Nein stimmten 77, 20 enthielten sich. Dies bedeutet eine Zustimmung von 80,8 Prozent. Bei den letzten Wahlen im November 2001 hatten 88,6 für Schröder gestimmt.

Trotz emotionaler Bekenntnisse zur 140-jährigen Geschichte der Partei machte Schröder in der Sache keinerlei Abstriche von seiner Reformpolitik. Von den 530 Delegierten des Bochumer Parteitags verlangte er „den Mut zur Wahrheit und den Willen zum Wandel“. Es genüge nicht, die Regierungsverantwortung zu haben. „Die Partei muss sie schon wollen.“ Sogar seinen populären Widerstand gegen die amerikanische Irakpolitik benutzte Schröder gleich mehrfach als Argument, um die geplanten Einschnitte in der Sozialpolitik zu begründen. „Nur wenn wir Deutschland in Ordnung bringen, werden wir unsere starke Stimme in Europa und weltweit behalten.“

In der Debatte nahm Fraktionschef Franz Müntefering den Kanzler anschließend gegen überzogene Erwartungen in Schutz. Müntefering lobte zwar die Rede, fügte aber hinzu, man könne mit einer Rede nicht „die Welt umdrehen“. Die Parteilinke Andrea Nahles wies darauf hin, dass der SPD kaum noch Kompetenz in ihrem Kernbereich soziale Gerechtigkeit zugetraut werde.

Heute wird der Parteitag über den Perspektivantrag „Unser Weg in die Zukunft“ beraten. Um die soziale Balance des Programms unter Beweis zu stellen, sind eine Ausbildungsplatzabgabe und eine Verschärfung der Erbschaftssteuer geplant.

RALPH BOLLMANN

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