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Archiv-Artikel

Eine Million „Netto-Arbeitskräfte“ sucht Jobs

Bundesamt für Statistik rechnet vor, wie viele Sozialhilfeempfänger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen könnten

BERLIN taz ■ Die aktuelle Sozialpolitik wollte Johann Hahlen gestern nicht kommentieren. „Diese Frage habe ich befürchtet“, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, als er in Berlin die Studie seiner Behörde über „40 Jahre Sozialhilfe in Deutschland“ vorstellte. „Wenn Sie Bewertungen wollen, dann fragen Sie doch die Sozialpolitiker“, sagte Hahlen.

Also gab es nur Zahlen zum aktuellen Regierungsplan, die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger künftig von der Bundesanstalt für Arbeit betreuen zu lassen. Wie viele Personen würde dies betreffen? Das statistische Bundesamt hat nachgerechnet: 990.000 Menschen. Allerdings sind viele von ihnen schon bei den Arbeitsämtern gemeldet.

Die genaue Kalkulation sieht so aus: Ende 2002 gab es 2,76 Millionen Sozialhilfeempfänger in Deutschland. Davon waren allerdings nur 1,68 Millionen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren. 277.000 mussten sich jedoch um Angehörige kümmern, weitere 153.000 waren arbeitsunfähig. So blieb also nur noch „Brutto-Arbeitskräftepotenzial“ von 1,25 Millionen Menschen übrig. Davon waren 143.000 Personen jedoch schon erwerbstätig. Das heißt: Obwohl sie arbeiten, verdienen sie weniger als den Sozialhilfesatz. Dies betrifft 59.000 Vollzeitkräfte, der Rest arbeitet Teilzeit.

Weitere 118.000 Sozialhilfeempfänger befanden sich in einer Aus- und Fortbildung. Also blieb ein „Netto-Arbeitskräftepotenzial“ von 990.000 Menschen. Davon waren bereits 732.000 arbeitslos gemeldet. 258.000 waren „aus sonstigen Gründen“ nicht erwerbstätig.

Die statistischen Daten lassen jedoch keine große Hoffnung aufkommen, dass es leicht sein wird, diese knappe Million Menschen bald in Jobs zu vermitteln. Mehr als 60 Prozent der arbeitslos gemeldeten Sozialhilfeempfänger sind bereits länger als ein Jahr arbeitslos. 31 Prozent waren sogar schon länger als drei Jahre ohne Job. Gleichzeitig zeigt die Statistik auch, dass es eigentlich nur einen Weg gibt, um die Sozialhilfe zu verlassen: Arbeit.

Von den ausscheidenden Sozialhilfeempfängern haben über 40 Prozent eine Tätigkeit oder einen höher bezahlten Job gefunden. Wer keine Stelle findet, der verlässt die Sozialhilfe meist nur noch, wenn ihn ein anderes staatliches Unterstützungssystem aufnimmt.

Wer 2002 aus der Sozialhilfe ausschied, hatte die Leistung durchschnittlich knapp 17 Monate lang bezogen. Man kennt jedoch nicht die Bezugsdauer von jenen, die in der Sozialhilfe bleiben. Da gibt es keine Daten.

ULRIKE HERRMANN