„Europa muss den USA ein Angebot machen“

Nur wenn Deutschland und seine Nachbarn sich aktiv an Bushs Außenpolitik beteiligen, können sie auch Einfluss nehmen, sagt Transatlantik-Experte Eberhard Sandschneider

taz: Herr Sandschneider, George W. Bush regiert weiter. Was hat Bush zwei vom Bush eins der ersten vier Jahre gelernt?

Eberhard Sandschneider: Was Herr Bush persönlich aus seiner ersten Amtszeit gelernt hat, ist Spekulation. Politisch entscheidend ist, dass sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Die Streitkräfte der USA stehen am Rande des Überdehnens. Es gibt ein Haushaltsdefizit, das Grenzen für weitere internationale Abenteuer setzt, und daran kann eine Bush-zwei-Administration nicht vorbei.

Also bessern sich die Beziehungen?

Das ist fraglich, denn es gibt eine Reihe von sensitiven Punkten, die Bush offensiver angehen wird, als Kerry dies getan hätte. Das sind der Iran, Nordkorea und zu einem gewissen Punkt auch China. Die Äußerungen gegen und von China vor der US-Wahl lassen da nicht unbedingt Gutes erwarten.

Stimmt es trotzdem, dass die Außenpolitik von Bush für die Deutschen die bequemere ist? Denn Bush weiß, dass er mit diesem Kurs nicht auf Unterstützung hoffen kann, während Kerry diese eingefordert hätte.

Die spannende Frage wird sein, wie Bush seine neue Mannschaft aufstellt, davon wird vieles abhängen. Wer wird Chef im US-Außenministerium, wer im Pentagon? Zum Zweiten sollten wir Europäer endlich begreifen, dass wir für die Amerikaner deutlich an strategischem Interesse verloren haben. Wir müssen auch lernen, dass unsere schönen Werte, die wir teilen, uns nicht helfen, transatlantische Beziehungen zu organisieren. Europa und die USA müssen in den nächsten Jahren vielmehr gemeinsame Interessen aushandeln. Und dabei ist es nur eine Seite der Medaille, wie Bush an uns herantritt. Die zweite Seite der Medaille ist, wie entscheidungsfähig wir sind.

Muss Deutschland mit Angeboten auf die USA zugehen?

Nicht Deutschland allein, sondern Europa gemeinsam. Einfluss auf die amerikanische Außenpolitik kann Europa nur dann nehmen, wenn es bereit ist, aktiv daran mitzuarbeiten, also das tut, was die Amerikaner „deliver“ nennen. Einfach nur zu sagen, „Ihr solltet das nicht tun“, wird keinen amerikanischen Präsidenten davon abhalten, etwas zu tun, was er als strategisch wichtig für sein Land empfindet.

Bedeutet eine aktive Mitarbeit Europas auch, deutsche Soldaten in den Irak zu schicken?

Nein, das Problem im Irak ist kein militärisches, sondern erfordert Erfahrung im nation building. Und die hat Europa. Wir bilden dort schon Polizei aus und senden Ingenieure, aber das muss mehr werden. Und da sollte die deutsche Regierung nicht einfach abwarten, bis sich die Bush-Administration meldet.

Brauchen die Amerikaner nicht Soldaten statt Polizisten?

Mehr als anbieten kann Europa nicht. Nachdem die lähmende Phase des Wahlkampfes vorbei ist, wird auch die Bush-Regierung sehr genau die Schieflage im Irak analysieren und erkennen, dass Wiederaufbauhilfe notwendig ist.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ