: Schreckgespenst Handelsprotektionismus
Ein neuer Handelsstreit der USA mit China um Schutzzölle auf Textilimporte sorgt für Allzeittief des Dollars gegenüber dem Euro. Dabei steht die US-Währung ohnehin unter Druck, weil Kapitalanleger sich aus den USA zurückziehen
BERLIN taz ■ Stürzen sich die USA im Vorpräsidentschaftswahlkampf in einen neuen Handelsprotektionismus? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Politik, sondern auch die Ökonomen an den internationalen Börsen. Denn dem jüngsten Vorstoß der US-Regierung in diese Richtung ist ein prompter Kurssturz des Dollars gefolgt. Gewinner war der Euro: In der Nacht zu gestern kletterte er am Devisenmarkt in Sydney auf ein Allzeithoch von 1,1979 US-Dollar. Im Laufe des Tages pendelte er sich an den anderen Börsen wenig niedriger ein.
Den letzten Schubs bekam der Dollar am Dienstagabend, als die US-Regierung überraschend ankündigte, neue Importquoten auf chinesische Textilien zu erheben – nur gut eine Woche nachdem die Welthandelsorganisation WTO einen ähnlichen, lange währenden Handelsstreit um US-Schutzzölle auf ausländische Stahlprodukte gegen die USA entschieden hatte.
Die USA werfen der chinesischen Regierung schon seit längerem vor, die Landeswährung Yuan durch eine enge Anbindung an den Dollar künstlich niedrig zu halten – um einheimischen Waren auf dem Weltmarkt einen Preisvorsprung zu verschaffen. US-Politiker befürchten, dass dadurch „tausende Arbeitsplätze“ in der amerikanischen Wirtschaft verloren gehen. Nach Einschätzung von Analysten wie Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank ist der neue Protektionismus bereits Teil des nahenden Präsidentschaftswahlkampfes: „Die Handelspolitik richtet sich nach dem innenpolitischen Ziel einer Wiederwahl von Präsident George W. Bush.“
Konkret sollen die Textilimporte gegenüber dem Vorjahr nur um 7,5 Prozent ansteigen dürfen. Die Branchenverbände der chinesischen Textilindustrie, die mehr als 15 Millionen Menschen beschäftigt, rufen ihre Regierung nun zu Gegenmaßnahmen wie eigenen Einfuhrbeschränkungen auf. Und auch Steven Dunaway, der beim Internationalen Währungsfonds für den asiatisch-pazifischen Raum zuständig ist, warnte, dass „Maßnahmen gegen China im gegenwärtigen Umfeld ein großes Risiko“ seien. Im Pekinger Handelsministerium hieß es gestern allerdings nur, man behalte sich vor, bei der WTO Beschwerde einzulegen.
Der zusätzliche Druck auf den Dollar kommt zu denkbar ungünstiger Zeit. Ebenfalls erst in dieser Woche hatte eine andere Meldung die Währung bereits ins Rutschen gebracht: Laut dem US-Schatzamt haben ausländische Anleger im September im Vergleich zum August vier Fünftel weniger in US-Wertpapiere investiert. Wegen der hohen Staatsverschuldung und des gigantischen Leistungsbilanzdefizites von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist es für die USA entscheidend, dass weiterhin Kapital zufließt. BEATE WILLMS