: Einsame Spitze
Claudia Pechstein ist eine herausragende Eisschnellläuferin. Das hat sie bei den Deutschen Meisterschaften bewiesen. Andere Talente gibt es kaum in Berlin
VON ANDREAS RÜTTENAUER
Natürlich hatte er wieder einmal allen Grund zum Strahlen. Immer wenn Erfolgstrainer Joachim Franke von seiner Musterschülerin Claudia Pechstein spricht, steht im der Stolz ins lächelnde Gesicht geschrieben. Seine „Claudi“ hatte am ersten Tag der Deutschen Meisterschaften im Eisschnelllauf die 3.000 Meter gewonnen – und das in einer Zeit, die so früh in der Saison nicht unbedingt zu erwarten war. Alles läuft also wieder mal bestens bei den beiden, die so gerne voneinander schwärmen.
Doch Franke macht sich auch Sorgen. Als Bundestrainer am Olympiastützpunkt Berlin hat er die Berliner Eissportszene im Blick. Und die besteht nicht nur aus der vierfachen Olympiasiegerin Pechstein und der fünfmaligen Sprintweltmeisterin Monique Garbrecht-Enfeldt. „Das sind natürlich absolute Galionsfiguren“, so Franke, der gerne mehr Athleten sehen würde, die einen ähnlichen Ehrgeiz wie diese beiden an den Tag legen. Mit Sprinterin Jenny Wolf vom SC Berlin ist er in dieser Hinsicht ganz zufrieden. Die lieferte der großen Garbrecht-Enfeldt über 500 Meter einen harten Kampf und musste sich nur knapp geschlagen geben. Den Titel über 100 Meter konnte sie sich aber sichern. Große Hoffnungen setzt er auf die 20-jährige Monique Angermüller. Sie trainiert in Frankes Übungsgruppe bei den Eisbären Juniors. „Was die nach zwei Jahren mit vielen Verletzungsproblemen geschafft hat, ist schon ganz gut“, sagt Franke über die junge Frau, die über 500 Meter und 1.500 Meter jeweils den fünften Platz belegte und Sechste über 1.000 Meter wurde.
Im Männerbereich sieht es da schon ganz anders aus. International haben die Männer den Anschluss schon vor Jahren verloren, und auch in der Berliner Kufenszene kriselt es. Die besten Junioren der vergangenen Jahre sind abgetreten, ohne jemals den Versuch gemacht zu haben, ganz nach vorne zu kommen. „Der eine hat gemerkt, dass er sportlich keine so großen Fortschritte mehr macht und aufgegeben, der andere will ein Studium aufnehmen und verliert den Anschluss“, referiert Franke. „In den zwei Jahren vor Olympia muss man einfach bereit sein, alles dem Sport unterzuordnen. Wer glaubt, dass er da noch nebenbei studieren könne, der hat schon verloren.“ 70 Prozent des Alltags müssten vom Eissport dominiert sein.
Auch in seiner Gruppe bei den Eisbären Juniors hat er derartige Sorgenkinder. Alexander Baumgärtel legt wegen seines Studiums gerade eine einjährige Wettkampfpause ein. In der Olympiasaison soll er zurückkehren. Wenn stimmt, was Franke sagt, dürfte er wenig Chancen auf Erfolge haben. Ein anderes Sorgenkind Frankes ist Jan Waterstradt. „Das reicht einfach international nicht“, so Franke über die Leistung seines Läufers über die 500 Meter. Viel mehr will er dazu nicht sagen. Über 100 Meter hat Waterstradt souverän gewonnen. „Da gehöre ich auch zur internationalen Spitze“, sagte der Berliner nach dem Wettkampf. Das ist ein wenig bitter, denn Waterstradt hatte sich Hoffnungen darauf gemacht, dass die 100-Meter-Distanz ins WM- und Olympiaprogramm aufgenommen wird.
Dann hätte er die Chance gehabt, ein wenig herauszutreten aus dem Schatten seiner Trainingspartnerin Claudia Pechstein. Doch der internationale Verband hat beschlossen, statt der 100 Meter die Mannschaftsverfolgung als neue Disziplin zu etablieren. Da wird Claudia Pechstein wohl im Verbund mit Anni Friesinger und Sabine Völker laufen und wieder Medaillen holen. An Waterstradt wird dann niemand mehr denken.
Einen Hoffnungsträger für den Berliner Eisschnelllauf hat Trainer Franke aber schon ausgemacht. Der 19-jährige Thomas Schwarz wurde über 5.000 Meter Neunter und hat seine persönliche Bestleistung um mehr als acht Sekunden verbessert. Er lebt nach den Vorstellungen des Meistertrainers, hat alle Entbehrungen auf sich genommen und darf sich nun Hoffnungen machen, von den nationalen Fördertöpfen zu profitieren. „Das ist ein großer Schritt“, so Franke, den nicht jeder gehen wolle. Im Fall Schwarz ist er ganz optimistisch. Als er über ihn spricht, lächelt er beinahe so, als würde er wieder einmal von seiner „Claudi“ schwärmen.