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Archiv-Artikel

Sprache des Terrors

Deutsche Nachrichtendienste: Terrornetzwerk al-Qaida erstarkt

PULLACH taz ■ „Das war termin- und ortsgerecht.“ Ernst Uhrlau bemühte sich, sachlich zu bleiben bei seiner Analyse der jüngsten Terroranschläge in Istanbul. Aber angesichts der Bilder, die gestern Mittag über die Bildschirme flimmerten, wirkten seine Worte beinahe zynisch. Es war gewiss keine Absicht, doch der Koordinator der deutschen Geheimdienste im Bundeskanzleramt war von den Ereignissen ebenso überrascht wie August Hanning, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). Eigentlich waren beide zu einem Symposium über die Krisenregion Nahmittelost ins Bürgerhaus von Pullach bei München gekommen. Doch nun mussten sie die Geschehnisse kommentieren.

Weder Hanning noch Uhrlau ließen einen Zweifel daran, dass sie die Attentate al-Qaida zurechnen. Hanning meinte in der Wahl von Ort und Zeit der Anschläge die „Sprache“ des Terror-Netzwerkes zu erkennen. Dass die Bomben in britischen Einrichtungen in der Türkei explodierten, während US-Präsident Bush in Großbritannien weilt, nannte Uhrlau eine „Demonstration dafür, dass Bin Laden auf Augenhöhe mit George Bush agieren will“. Auch BND-Chef Hanning sah „ein typisches Anschlagsszenario“, wie man es aus anderen Al-Qaida-Aktionen kennt: „Es werden mehrere Anschläge zeitgleich mit hoher Professionalität ausgeführt.“

Hanning sieht die Attentate in Istanbul im Zusammenhang mit den Bombenexplosionen in Saudi-Arabien und im Irak und befürchtet weitere Anschläge: Al-Qaida sei „wieder in der Lage, größere Anschläge durchzuführen“. Die wiederholten Anschläge in der Türkei zeigen laut Hanning, dass es den islamistischen Terroristen darum geht, die Lage in dem Land mit großteils islamischer Bevölkerung zu destabilisieren, zudem richteten sich Attentate zunehmend gegen „Regierungen, die mit den US-Truppen zusammenarbeiten“. Deutschland steht in der „Hierarchie der Ziele“ nach den Erkenntnissen der Nachrichtendienste zwar nicht an der Spitze, trotzdem herrscht hierzulande „eine latent hohe Anschlagsgefahr“.

Mehr Sorge bereitet dem BND-Präsidenten allerdings die Entwicklung im Irak, der unter der Herrschaft der USA zunehmend zu einem „Kristallisationspunkt“ für Gotteskämpfer wird: „Ich habe Sorge, im Irak ähnliches zu erleben wie in Afghanistan zu Zeiten der sowjetischen Besatzung.“ JÖRG SCHALLENBERG