piwik no script img

Archiv-Artikel

„Das spricht für mehr Feiertage“

Weniger Urlaub, dafür mehr Feiertage, so lautet der Vorschlag des Ökonomen Gert Wagner. Dies wäre auch „eine heilsame Herausforderung für die Kirchen“

Von AM

taz: Herr Wagner, wenn Sie die Wahl hätten: Welchen Feiertag würden Sie streichen?

Gert Wagner: Keinen einzigen.

Warum?

Die jetzt in der Diskussion befindliche Streichung eines Feiertags ist nichts anderes als die Aushebelung von Tarifverträgen. Falls die Tarifparteien es als ökonomisch sinnvoll ansehen, die Jahresarbeitszeit zu erhöhen, könnten sie das auch durch die Streichung eines Urlaubstages unschwer erreichen. Oder tariflich geringere Lohnsteigerungen vereinbaren.

Aber die Kritik der Industrie lautet doch, die vielen Feiertage seien eine unvertretbare Belastung für die Betriebe.

Wenn das so wäre, könnte es Bayern im Ländervergleich ökonomisch nicht überdurchschnittlich gut gehen. Dort haben die Menschen drei Feiertage mehr als protestantische Bundesländer wie Berlin oder Bremen. In überwiegend katholischen Gemeinden kommt sogar noch ein vierter Feiertag hinzu.

Nach dieser Logik hätten die Deutschen ja dann eher zu wenig als zu viele Feiertage.

Da spricht aus gesellschaftspolitischer Sicht viel dafür. Den Beschäftigten stehen hier im Durchschnitt 28 Arbeitstage Jahresurlaub zu, aber es gibt nur neun bundesweite Feiertage. Und von diesen fallen etliche immer wieder auf einen Sonntag oder Samstag, stellen also keine zusätzliche Mußestunden dar. In den USA hingegen wird nur ungefähr die Hälfte des deutschen Jahresurlaubs gewährt, aber es gibt zehn nationale Feiertage. Zwar nur einen mehr, als wir in Deutschland haben. Fünf davon, etwa der Labour Day, sind aber per Gesetz auf Montage gelegt, damit auf jeden Fall ein verlängertes Wochenende entsteht.

Wo bleibt da der Grundgedanke des Feiertages, dass man sich etwa eines geschichtlichen Ereignisses bewusst wird?

Bewusstsein hängt ja nicht vom Wochentag ab. Aber gerade christliche Feiertage haben es in pluralen Gesellschaften natürlich schwer. Man kann dies auch als eine heilsame Herausforderung für die Kirchen verstehen, durch bessere Predigten und Argumente sowie vor allem gute Seelsorge um die Menschen zu werben. Aber selbst ohne Rückbesinnung auf die christlichen Wurzeln eines Feiertages haben diese gegenüber Urlaubstagen den Vorzug, dass sie – da alle gleichzeitig freihaben – auf jeden Fall genutzt werden, um mit Nachbarn und in Vereinen zusammenzukommen. Einiges spricht also für mehr Feiertage und weniger Urlaubstage.

Müsste es dann nicht auch kürzere Schulferien geben?

Ja. Und es müssten vor allem die vielen verschiedenen Ferien reduziert werden. Dann würde das Schuljahr nicht so stark zerstückelt. Das käme der Qualität des Unterrichts zugute. Darüber hinaus stellt die Betreuung von Kindern in den Ferien ja immer wieder eine Herausforderung für Eltern dar. INTERVIEW: AM